Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
kahlgeschorene, breite Schädel, die gewölbte Stirn, die kleinen, stechenden Augen. Es gibt auf der Welt kein zweites Gesicht dieser Art. Aber wie kommt dieser Mann zu den Köhlern?! Und er ist wohl unter ihnen, scheint sogar ihr Anführer zu sein. Er sitzt in der Mitte und hält ihre Beschwerdeschrift in der Hand.
Im Saal hob indessen die Debatte über die Vorschläge des Ministers an. Es ging um die Verteilung von Zuchttieren und die Schaffung von regionalen Rassen. Damit waren alle einverstanden, aber zwischen dem Referenten der Regierung und einigen lokalen Größen kam es trotzdem zur Diskussion. Von Darányis Seite wurde ein Angebot für die Simmentaler Rasse gemacht, unter den Einheimischen fand sich aber jemand, der eine Ansprache für die Pinzgauer Rinder hielt, während ein anderer die Partei der roten Kühe ergriff. Beide wussten sehr wohl, dass sie umsonst sprachen, denn das Landwirtschaftsministerium hatte die Frage bereits untersucht und sich festgelegt, es verfügte im Oberland auch schon über langjährige Erfahrungen, und schließlich galt es, dass man nicht nur dem geschenkten Gaul, sondern auch dem geschenkten Rind nicht ins Maul schauen sollte. Die beiden machten trotzdem viele Worte, denn sie wollten vor einem so großen Publikum ihre Fachkompetenz beweisen. Das Gleiche wiederholte sich, als es um die Zuchthengste, das Geflügel und um die Schweine ging. Bei Letzteren meldete sich sogar ein Sachverständiger aus dem Komitat Szilágy zu Wort, der einzig deswegen ins Széklerland gereist war, um für die bräunlich-schwarzen »Baris« eine Lanze zu brechen, wiewohl bekannt war, dass diese Schweine bis zum Alter von fünf Jahren wachsen, aber niemals an Gewicht zulegen; in der Region Szilágyság setzte man aber damals noch sehr auf diese Rasse. »Die Baris haben nicht ihresgleichen!«, verkündete der Redner in fanatischem Ton.
All dies hatte mittlerweile ein Ende. Natürlich wurde das Programm des Ministeriums in allen Punkten angenommen. Böse wurde denn auch deswegen keiner, nicht einmal die Diskutanten; es war ja bekannt, dass Darányi mit seiner Initiative die ganze Angelegenheit in Gang gesetzt hatte. Er würde sie also zu Ende führen, und wie er es tat, war ganz in Ordnung, der Kongress diente einzig dazu, der breiten Öffentlichkeit zu verkünden, dass hier nun etwas geschehen werde. Ferner dazu, dass viele glauben und sagen konnten, ihre Ratschläge hätten darüber entschieden, was ohne sie ebenso vor sich gegangen wäre. Damit verrann der Vormittag. Die Sitzung wurde suspendiert. Der Saal leerte sich.
Abády wartete, bis András Jópál auftauchte. Er schritt unter seinen Kameraden. Bálint trat auf ihn zu. »Ich freue mich, Sie hier zu sehen«, sagte er und machte eine Anspielung, wie unerwartet es war, ihn unter Kohlenbrennern anzutreffen.
Jópál blieb stehen. Ein mattes Lächeln strich hell über sein von Ruß betupftes Gesicht. »Ich bin bereits seit zwei Jahren auch ein Köhler. Ich lebe unter ihnen, arbeite mit ihnen zusammen. Es sind sehr gute Menschen.«
»Aber ist es nicht schade, dass Sie sich mit Ihren großen Fähigkeiten und Ihren Kenntnissen auf solche Weise vergraben? Es mag ja sein, dass das Prinzip des Flugzeugs im Wesentlichen gelöst ist und dass es sich in der Welt nicht mit Ihrem Namen, sondern mit demjenigen anderer verbindet. Doch in der Praxis ist das Gerät immer noch primitiv, und es bieten sich auf diesem oder auf manchem weiteren Gebiet noch unzählige Aufgaben.«
»Alles nur Narretei«, erwiderte Jópál. »Wozu? Nichts als Eitelkeit! Was wohltut, ist die harte körperliche Arbeit unter einfachen und guten Leuten. Sie allein ist etwas wert. Draußen im Wald sein, Holz schlagen und spalten, den Meiler aufbauen, wissen, wie lange darin die Blindkohle brennt, wann man Luft dazugeben oder das Feuer ersticken muss. Den Meiler bewachen, ihn unentwegt im Auge behalten, das braucht viel Sorgfalt, viel Kenntnis und Kraft. Und es ist auch schön, in der freien Natur ein natürliches Leben zu führen …«
So Jópáls Reden. Wie anders war er jetzt als damals, als Bálint ihn zum letzten Mal auf dem Berggrat über Ludas getroffen hatte, einige Monate nach Santos-Dumonts erstem Flug. Sein Gesicht spiegelte nun wirklich Ruhe und heitere Friedlichkeit.
»Essen wir irgendwo zusammen zu Mittag«, schlug Bálint vor, »auf das Bankett verzichte ich gern.«
Der vom Mathematiker zum Köhler gewordene Mann schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich kann meine Freunde
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