Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
stand er abseits, während die ungarischen Delegierten in den Zug stiegen. Seine schmächtige Gestalt mit den schmalen Schultern rührte sich nicht, die Augen heftete er auf die feierlich beflaggten Wagen, die nun dröhnend über die Weichen ratterten. Rauch, der in Schwaden herabzog, verhüllte schließlich alles.
Der Kongress in Homoródfürdő wurde morgens um zehn Uhr eröffnet. Der Vorsitz war, gemäß der Reihenfolge ihrer Dienstjahre, den Vizegespanen von Maros-Torda, Csík, Udvarhely und Háromszék anvertraut worden. Die Regierung wünschte damit auch zu betonen, wie stark sie die Autonomie der Komitate unterstützte, die sich unter der Regierung Fejérváry, zur Zeit der »Trabanten«, zu den Koalitionsparteien geschlagen hatten. Diese Beauftragten saßen also am Tisch des Präsidiums, den man auf der langen Wandseite des Großen Saals aufgestellt hatte.
Besagter Saal, in einem Holzgebäude untergebracht, diente während der Badesaison als eine Art Kursalon, seine Außenseite bestand aus lauter Glas. An der schmalen Wandseite stand ein Podium, zu dem einige Stufen hinaufführten, hier pflegte eine Zigeunerkapelle zu musizieren, und wenn sich irgendeine Truppe von Wanderschauspielern einstellte, dann diente es auch als Bühne. Nun waren im Saal überall Stühle aufgestellt, auf denen die Hergereisten, Abgeordnete, hochgestellte Herren aus den Komitaten, Anwälte und wichtige Amtsträger, sich niedergelassen und dabei unwillkürlich nach der Rangordnung ausgerichtet hatten. Vor dem Präsidialtisch blieb viel Raum ausgespart, hier konnten die Delegationen auftreten und dem Kongress ihre Anliegen erläutern. Es kamen denn auch einige, doch nicht allzu zahlreich, denn die Székler sind bei all ihrer Abenteurernatur doch ein realistisches Volk, zur Zeit der herbstlichen Feldarbeiten gelüstete es die Leute wenig, das Ackerwerk liegenzulassen. Bestrumpfte Székler waren kaum zugegen, und jene, die sich doch eingestellt hatten, produzierten eine schön gewundene Grußbotschaft und verzogen sich dann in die hinteren Ecken, wo sie eher argwöhnisch abwartend lauschten, zu welchem Ende »die Herren« kommen würden.
In größerer Zahl waren einzig Kohlenbrenner anwesend. Sie waren freilich nicht gekommen, um zu feiern, sondern um ihre Klagen vorzutragen. Sie wollten an der Beratung teilnehmen und begaben sich denn auch nicht zu den Plätzen vor dem Präsidialtisch, sondern bestiegen das Podium zur Linken und füllten dort die oberste Stuhlreihe. Sie waren etwa zu sechzehnt. Sehr ernste, beinahe finstere Männer. Sie glichen einander stark. Vielleicht hatte sie die harte Arbeit im Wald einander ähnlich gemacht sowie die Tag und Nacht stets nötige Aufmerksamkeit, von welcher der Ausgang des Brennprozesses abhängt. Auch ihr Äußeres war dasselbe: schwarze Kleidung und Stiefel. Ihre Gesichter wirkten sehr dunkel, der Kohlenstaub hatte sich in allen Poren ihrer Haut festgesetzt, Stirn, Wangen und Hände mit winzigen Pünktchen bestreut.
Stumm saßen sie in ihrer Reihe. Sie warteten. Im Geviert der vornehmen Herrschaften waren die gegenseitigen Würdigungen im Gange. Der Präsident begrüßte den Delegierten des Ministers, die Vizegespane hießen die Abgeordneten willkommen, und all diese erwiderten die Komplimente und entwarfen mit leicht verschwommenen Konturen, aber äußerst begeistert das Bild einer wundervollen Zukunft. Dann folgte die Festlegung der Tagesordnung und der ministeriellen Programmpunkte.
Bálint, der auf der Seite saß, ging seine Notizen durch. Er hatte die Absicht, seinen Vorschlag zur Schaffung von Kleinbauern-Fideikommissen vorzulegen und ihn mithilfe der einschlägigen amerikanischen und deutschen Fachliteratur zu beleuchten. Als er inmitten dieser Arbeit den Blick hob, bemerkte er unter den Köhlern ein bekanntes Gesicht. Ja! Er ist es in der Tat: András Jópál! Es war der junge Mathematiker, der zu gleicher Zeit wie die Gebrüder Wright und Santos-Dumont – oder womöglich vor ihnen – hier in Siebenbürgen das Problem des Fliegens gelöst, den Zeitpunkt aber, seine Erfindung vorzustellen, verpasst hatte. Verpasst, weil er für den Bau des Modells und für den Motor kein Geld besaß. Seine argwöhnische Natur war auch mit im Spiel gewesen, wo sich doch Leute gefunden hätten, die bereit waren, ihm beizustehen. Auch Bálint selber hatte ihm seine Unterstützung angeboten. Doch Jópál glaubte, man wolle bloß sein Geheimnis ausspionieren. – Ja, er ist es, gewiss! Dieser
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