Versehentlich verliebt (German Edition)
dass ich mich mit einem Kerl eingelassen habe, der meine Cola-Flasche geöffnet hat und mich samt meinem Gepäck durch die Gegend schiebt – dann würde er ins Auto steigen und auf Schneeketten von Berlin bis nach Stuttgart fahren, um mich ins Auto zu schleifen und sich Lukas zur Brust zu nehmen. Dann würde er ihn fragen, für wen er sich halten würde, was er denn für Absichten mit mir hätte, wo sein polizeiliches Führungszeugnis wäre und ob seine Brille Fensterglasgläser hätte ...
„Was soll das heißen: Du bist nicht alleine?“
Ich hasse es, meine Eltern anzulügen. Ich kann ja nicht mal meinen Chef anflunkern, wenn ich mir einen zusätzlichen freien Tag erschleichen will. Ich bin zu gnadenloser Ehrlichkeit verdammt. Lukas steht noch immer vor der Telefonzelle, wie ein treuer Hund, den man beim Supermarkt nicht draußen anleinen muss, weil er ohnehin auf das Herrchen wartet.
„Eine Kollegin ist auch da. Uschi. Es ist alles in bester Ordnung.“
„Welche Uschi?“
Mein Vater ist zum Glück nicht besonders gut darin, sich Namen meiner Kollegen zu merken. Wir sind schon froh, wenn er alle Onkel und Tanten richtig benennt.
„Uschi, meine Kollegin von der Arbeit. Papa, ich habe dir oft von ihr erzählt.“
Uschi und ich gehen vielleicht mal zusammen in die Mittagspause, aber wieso sie jetzt hier mit mir sitzen sollte, wüßte ich spontan auch nicht. Ich bete, dass mein Vater nicht nachfragt, sonst müsste ich mich in noch mehr alberne Lügen verstricken.
„Was ist mit deinem Handy? Können wir dich erreichen?“
Ich sehe kurz zu Lukas, der so tut, als würde er von meiner Cola trinken. Dann spielt er den Überraschten und lächelt spitzbübisch. Ich hebe nur mahnend den Finger und er nickt, bevor er kurz salutiert. Ich kenne diesen Mann nicht. Ich weiß eigentlich gar nichts über ihn und doch reicht sein bloßer Anblick, um mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Dabei weiß ich ganz genau, es wird nicht gut enden. Es endet nie gut. Die Fakten sprechen für sich. Freiburg vs. Hamburg. Spontaneität vs. mich.
„Kaum Empfang.“
„Ich will, dass du dir ein Hotel suchst. Jetzt gleich. Wenn du ein Zimmer hast, dann rufst du uns wieder an. Ich will nicht, dass du Weihnachten am Flughafen feierst. Verstanden?“
Ich bin wieder sechzehn und höre auf das, was mein Vater mir sagt. Ich weiß genau, er hat Recht. Wenn ich wirklich keinen Flieger mehr bekomme, dann sitze ich hier die ganze Nacht fest. Und ich bin jetzt schon komplett fertig und müde. Wie soll ich mich denn auf dem Fußboden erholen?
„Ja, okay.“
„Du meldest dich?“
„Ja, Grüße an Mama und ...“
Wie heißt sie doch gleich? Sag jetzt bloß nichts falsches, Pippa!
„Ich grüße alle von dir.“
Kaum habe ich den Hörer aufgelegt, klopft Lukas gegen die Scheibe. Ich schiebe die Tür einen Spalt auf.
„Ja?“
„Du hast aufgelegt, ich dachte wir gehen ...“
„Aha.“
„Und ich muss dir etwas beichten.“
Dum dum dum di dum ... So oder so ähnlich klingt mein Herz gerade. Unsere Gesichter sind sich erstaunlich nah gekommen, er lehnt sich näher an den Spalt, damit ich ihn besser verstehe.
„Ich habe deine Cola leer getrunken.“
Entschuldigend hält er eine leere Glasflasche gegen die Glastür. Ich sehe ihn an und will ihn küssen. Er lächelt mich an und nickt dann zum Gepäckwagen.
„Lass uns gehen.“
Er nickt Richtung Kiosk und hebt den Daumen in die Luft. Wieso ist mir bisher nicht in den Sinn gekommen, dass er vielleicht eine Freundin hat. Kinder. Was, wenn er gar keine Lust hat, noch mehr Zeit mit mir zu verbringen? Und was, wenn er morgen früh weg ist. Oder ich morgen früh weg bin. Wozu dann das Ganze? Ich trete aus der Kabine und muss mich aus der Komfortzone der Telefonzelle einer anderen Realität stellen. Lukas zieht den Gepäckwagen wieder zu uns. Ich darf mich unter keinen Umständen in ihn verlieben.
„Bevor wir spontan werden, muss ich checken ob noch ein Flieger nach Hamburg rausgeht.“
„Deine Freundin wartet bestimmt schon.“
Zugegeben, ich würde es lieber jetzt erfahren, als morgen mit einem gebrochenen Herzen. Allerdings hätte ich auch die weniger plumpe Art wählen können. Er sieht mich von der Seite an und schüttelt den Kopf.
„Nein, aber meine Eltern.“
Er weiß natürlich, wieso ich so doof gefragt habe. Ich bin erleichtert. Nur! Nicht! Verlieben!
„Und dein Freund hat nichts dagegen ...“
„Bin Single.“
Das hätte gerne weniger euphorisch klingen sollen,
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