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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ihrer Neigung zweifle.«
    »Meine Verpflichtungen sind zur Zeit«, erwiderte Willoughby verlegen, »von einer solchen Art, – daß – ich wage nicht, mir zu schmeicheln   ...«
    |88| Er hielt inne. Mrs.   Dashwood war zu erstaunt, um zu sprechen, und es folgte eine weitere Pause. Die wurde von Willoughby unterbrochen, der mit einem schwachen Lächeln sagte: »Es ist töricht, noch so zu zaudern. Ich will mich nicht länger quälen, indem ich weiter unter Freunden verweile, an deren Gesellschaft ich mich unmöglich noch weiter erfreuen kann.«
    Er nahm hastig von ihnen allen Abschied und ging hinaus. Sie sahen ihn in seine Kutsche steigen, und einen Augenblick später war sie ihrem Blick entschwunden.
    Mrs.   Dashwood war zu erregt, um zu sprechen, und sie verließ augenblicklich das Wohnzimmer, um sich ungestört ihrer Besorgnis und Bestürzung hinzugeben, die diese plötzliche Abreise hervorgerufen hatte. Elinors Unruhe kam der ihrer Mutter zumindest gleich. Sie dachte an das soeben Vorgefallene mit Sorge und Mißtrauen. Willoughbys Verhalten, als er sich von ihnen verabschiedete, seine Verlegenheit, seine gekünstelte Heiterkeit und vor allem seine Abgeneigtheit, die Einladung ihrer Mutter anzunehmen – etwas, das einem Liebhaber und auch seinem Naturell so wenig ähnlich sah   –, beunruhigten sie außerordentlich. In einem Moment fürchtete sie, daß von seiner Seite nie eine ernsthafte Absicht bestanden, und im nächsten, daß es zwischen ihm und ihrer Schwester einen unglücklichen Streit gegeben hatte; die Verzweiflung, in der Marianne das Zimmer verlassen hatte, war von einer Art, für die ein ernsthafter Streit die plausibelste Erklärung bot; doch wenn sie bedachte, wie groß Mariannes Liebe zu ihm war, schien ein Streit fast unmöglich.
    Doch wie die Umstände ihrer Trennung auch gewesen sein mochten, der Schmerz ihrer Schwester war unzweifelhaft; und sie dachte mit dem zärtlichsten Mitgefühl an diesen heftigen Kummer, dem Marianne sehr wahrscheinlich nicht nur zu ihrer Erleichterung nachgeben, sondern den sie auch als eine Pflicht nähren und fördern würde.
    Nach etwa einer halben Stunde kam ihre Mutter zurück, und obgleich sie rote Augen hatte, war ihre Miene nicht ohne Heiterkeit.
    |89| »Unser lieber Willoughby ist jetzt schon einige Meilen von Barton fort, Elinor«, sagte sie, während sie sich an ihre Handarbeit setzte, »und mit welch schwerem Herzen muß er reisen!«
    »Das ist alles sehr seltsam. So plötzlich abzureisen! Es scheint nur das Werk eines Augenblicks zu sein. Und gestern abend war er mit uns so glücklich, so heiter, so liebevoll! Und jetzt innerhalb von nur zehn Minuten – fort und noch dazu ohne die Absicht zurückzukommen? Da muß etwas mehr geschehen sein, als er uns gegenüber zugab. Er redete und verhielt sich nicht wie sonst, er war nicht er selbst. Du mußt die Veränderung ebenso gesehen haben wie ich. Was kann es sein? Können sie sich gestritten haben? Warum sonst wäre er so abgeneigt gewesen, deine Einladung hierher anzunehmen?«
    »Es war nicht der Wille, an dem es ihm mangelte, Elinor! Das konnte ich deutlich sehen. Es lag nicht in seiner Macht, sie anzunehmen. Ich habe mir das alles überlegt, das versichere ich dir, und ich kann mir alles, was mir anfangs ebenso wie dir seltsam erschien, vollkommen erklären.«
    »Das kannst du wirklich?«
    »Ja. Ich habe es mir selbst in höchst zufriedenstellender Weise erklärt; aber dich – die du es ja liebst zu zweifeln, wo immer du kannst – wird es nicht zufriedenstellen, ich weiß; aber du sollst mir mein Vertrauen nicht ausreden. Ich bin überzeugt, daß Mrs.   Smith seine Liebe zu Marianne argwöhnt, sie mißbilligt (vielleicht weil sie anderes mit ihm vorhat), und ihn deshalb unbedingt von hier weg haben will – und daß die Geschäfte, die er erledigen soll, nur als Vorwand dienen, ihn fortzuschicken. Das ist es, was ich glaube. Außerdem ist er sich im klaren darüber, daß sie diese Verbindung mißbilligt, und deshalb wagt er im Augenblick nicht, ihr seine Verlobung mit Marianne zu bekennen, und er sieht sich wegen seiner abhängigen Lage genötigt, ihren Plänen nachzugeben und eine Weile von Devonshire fernzubleiben. Ich weiß, du wirst mir sagen, daß es so gewesen sein mag oder auch nicht; aber ich will mir keine Krittelei anhören, es sei denn, du kannst mir eine andere Deutung für diese Angelegenheit |90| aufzeigen, die ebenso zufriedenstellend ist wie diese. Und nun, Elinor, was hast du zu

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