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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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lachte herzlich bei der Erinnerung an ihr Erstaunen, und alle stimmten mehrmals zu, daß dies eine sehr angenehme Überraschung gewesen sei.
    »Sie können sich vorstellen, wie froh wir alle waren, sie zu sehen«, fügte Mrs.   Jennings hinzu, wobei sie sich zu Elinor vorbeugte und leise sprach, als wollte sie von niemand gehört werden, obgleich sie an verschiedenen Enden des Zimmers saßen. »Aber ich hätte gewünscht, sie wären nicht ganz so schnell gereist und hätten nicht eine so lange Fahrt daraus gemacht – sie kamen nämlich den weiten Weg über London wegen irgendeines Geschäfts   –, denn, wissen Sie« (sie nickte vielsagend und wies zu ihrer Tochter hinüber), »es war nicht richtig in ihrem Zustand. Ich wollte, daß sie heute vormittag zu Hause bleiben und sich ausruhen sollte, aber sie wollte mit uns kommen; es verlangte sie so sehr, Sie alle zu sehen!«
    Mrs.   Palmer lachte und sagte, es würde ihr überhaupt nichts schaden.
    »Sie erwartet ihre Niederkunft im Februar«, fuhr Mrs.   Jennings fort.
    Lady Middleton konnte eine solche Unterhaltung nicht länger ertragen, und sie unterzog sich deshalb der Mühe, Mr.   Palmer zu fragen, ob irgendwelche Neuigkeiten in der Zeitung stünden.
    |122| »Nein, gar keine«, erwiderte er und las weiter.
    »Da kommt Marianne«, rief Sir John. »Jetzt, Palmer, werden Sie gleich ein außerordentlich hübsches Mädchen zu sehen bekommen.«
    Er ging sofort in den Flur, öffnete die Vordertür und führte sie selbst herein. Mrs.   Jennings fragte sie, sobald sie eintrat, ob sie nicht in Allenham gewesen sei; und Mrs.   Palmer lachte sehr herzlich bei der Frage, um zu zeigen, daß sie verstanden habe. Mr.   Palmer blickte auf, als sie hereinkam, starrte sie ein paar Minuten lang an und kehrte dann wieder zu seiner Zeitung zurück. Mrs.   Palmers Blick wurde nun von den Zeichnungen gefangengenommen, die überall im Zimmer hingen. Sie stand auf, um sie genauer zu betrachten.
    »Oh, meine Liebe, wie wunderschön sie sind! Wie entzückend! Sieh nur, Mama, wie reizend! Sie sind wirklich ganz bezaubernd; ich könnte sie mir immerzu ansehen.« Und dann setzte sie sich wieder und vergaß bald, daß es solche Dinge überhaupt im Zimmer gab.
    Als Lady Middleton aufstand, um zu gehen, erhob sich Mr.   Palmer ebenfalls, legte die Zeitung hin, reckte sich und sah sie alle der Reihe nach an.
    »Mein Lieber, hast du geschlafen?« fragte seine Gattin lachend.
    Er gab keine Antwort, und nachdem er das Zimmer erneut begutachtet hatte, bemerkte er nur, daß es sehr niedrig und die Decke schief sei. Dann verbeugte er sich und ging mit den übrigen fort.
    Sir John hatte sie alle sehr gedrängt, den nächsten Tag in Barton Park zu verbringen. Mrs.   Dashwood, die es vorzog, nicht öfter bei ihnen zu speisen, als sie es in Barton Cottage taten, lehnte es für sich selbst strikt ab; ihre Töchter mochten tun, wie es ihnen beliebte. Aber sie waren nicht neugierig darauf, zu sehen, wie Mr. und Mrs.   Palmer ihr Dinner aßen, und erwarteten auch in keiner anderen Weise irgendein Vergnügen von ihnen. Sie versuchten deshalb, sich ebenfalls zu entschuldigen; das Wetter sei unbeständig und würde kaum gut sein. Doch Sir John wollte sich nicht zufriedengeben – |123| man würde ihnen die Kutsche schicken, und sie müßten kommen. Auch Lady Middleton drängte sie, ohne jedoch Mrs.   Dashwood selbst zu drängen. Mrs.   Jennings und Mrs.   Palmer schlossen sich ihren dringenden Bitten an, alle schienen gleichermaßen darauf bedacht, ein Familiendinner zu vermeiden, und die jungen Damen waren genötigt nachzugeben.
    »Warum laden sie uns nur immer ein?« sagte Marianne, sobald sie fort waren. »Es heißt, die Pacht für das Haus ist niedrig, aber wir bewohnen es zu sehr harten Bedingungen, wenn wir immer zum Dinner nach Barton Park kommen sollen, wenn jemand bei ihnen oder bei uns zu Besuch ist.«
    »Sie wollen mit diesen häufigen Einladungen jetzt nicht weniger höflich und freundlich zu uns sein«, sagte Elinor, »als mit denen, die wir vor einigen Wochen erhalten haben. Es ist nicht ihre Schuld, wenn ihre Gesellschaften langweilig und fade geworden sind. Wir müssen den Grund dafür woanders suchen.«
     
    *
    Columella, Romanfigur Richard Graves (1715   –   1804), ließ einen seiner Söhne für eine Vielzahl von Berufen gleichzeitig ausbilden. (Anm. d. Übers.)

|124| Kapitel 20
    Als die Misses Dashwood am nächsten Tag den Salon in Barton Park durch die eine Tür betraten,

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