Versteckt
seinem Nacken oder um seine Ohren. Sie hörte immer aufmerksam zu, wenn er etwas sagte. Außerdem hatte sie so einen besitzergreifenden Blick, den er allerdings nur selten und wenn, dann ohne große Leidenschaft erwiderte.
Ich fragte mich, wie viel Mumm er tatsächlich hatte. Das ließ sich leicht herausfinden – ich beschloss, ihn auf das Nacktbaden festzunageln. Mal sehen, wie er reagierte. Nördlich von hier war ein Strandabschnitt mit glattem Kies und nicht zu hohen Wellen. Dort konnte man schwimmen, es war einigermaßen abgelegen, und bis auf ein paar Muschelsucher kam kaum jemand vorbei.
»Die Nächste rechts«, sagte ich.
Natürlich war ich auch gespannt, was die Mädels dazu sagen würden.
Wir bogen in einen Feldweg und fuhren eine halbe Meile über das Land, das dem alten Guiles gehörte. Als wir den dunklen Kiefernwald erreichten, in dem Van und ich als Kinder gespielt hatten, musste Steven vom Gas gehen.
Van war mein älterer Bruder. Er starb in Vietnam, als ich dreizehn war. Am 12. November, zwei Tage nach meinem Geburtstag.
Mein Vater und Mr. Guiles waren alte Freunde, aber nach Vans Tod fuhren wir nie wieder hier raus. Vielleicht weil Mr. Guiles’ eigener Sohn Billy die Unverschämtheit besessen hatte, den Krieg zu überleben, während Van mit einem brennenden Helikopter über Khe Sanh abstürzte. Zu viele Erinnerungen, wer weiß. Wir besuchten ihn einfach nicht mehr.
An den Wald konnte ich mich trotzdem noch genau erinnern. Viel hatte sich nicht verändert. Ein Wald verändert sich ja auch nicht von heute auf morgen. Das braucht eine lange Zeit. Vielleicht lagen etwas mehr Steine auf dem Weg, das war aber schon alles. Es war schön, wieder hier zu sein. Als käme man nach Hause.
Steven fluchte so heftig über den holprigen Weg, dass man denken konnte, es wäre sein Auto und nicht Caseys. Bald wurde die Straße wieder breiter und besser befahrbar, und schließlich tauchten die vertraute Lichtung und die kleine Hütte auf, die wir den »Picknickkorb« genannt hatten. Steven hielt an, und wir nahmen das Essen mit aus dem Auto. Casey bewunderte als Erste die Aussicht, und ich schlenderte zu ihr hinüber.
»Schön hier, oder?«
»Wunderschön.«
Wir standen etwa zehn Meter über einer flachen Bucht, hinter der sich der gewaltige Atlantik erstreckte. Direkt unter uns lag ein Kiesstrand mit großen Felsen und Schieferbrocken.
Bei starkem Seegang konnte das Wasser ungefähr bis drei Meter unter dem Punkt steigen, an dem wir uns gerade befanden. Über Nacht konnte sich hier alles verändern. Wenn man wie ich nur gelegentlich hierherkam, war es jedes Mal ein anderer Ort.
Ich führte sie den Pfad zum Strand hinunter. Etwa zwei Meter von den Klippen entfernt legten wir den gestohlenen Proviant und die Handtücher neben einer Schiefersäule ab. Ich kletterte die Säule hinauf.
Wie nicht anders zu erwarten, hatten hier Möwen gehaust. Sie schlugen die Schalen der Krabben, Muscheln und Austern gegen den Stein, um an den weichen Inhalt zu gelangen. Alles war mit kleinen Kadavern bedeckt.
Ich bemerkte, dass Casey mich beobachtete, und winkte sie zu mir herauf. Sie konnte gut klettern.
»Sieh mal. Ein Möwenrestaurant.«
Sie ging in die Hocke und inspizierte die trockene leere Hülle einer Blaukrabbe.
»Die Möwen können ganz gut zielen. Sie fliegen über die Steine und lassen die Krabben fallen. Das reicht meistens, um sie zu knacken. Wenn sie nur angeknackst sind, öffnen sie sie mit den Schnäbeln. Sie säßen wohl noch hier, wenn wir nicht gekommen wären. Siehst du?«
Wir beobachteten, wie die Vögel in ungefähr einer Viertelmeile Entfernung über den blaugrauen Himmel zogen.
»Du kennst dich aus, oder?«
»Was das Meer angeht? Geht so.«
»Womit kennst du dich noch aus?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Mit Holz. Bauholz. Henry Miller. Dostojewski. Wenn es sein muss, kann ich mit ein paar Ästen ein Feuer machen. Ich weiß alles über Dead River, was man wissen muss. Meine Rühreier sind ganz annehmbar. Sonst kann ich nicht viel.«
»Und ich?«
»Was ist mit dir?«
»Was weißt du über mich?«
»Ich hätte da so ein paar Vermutungen.«
»Ja, aber was weißt du sicher?«
»Nichts.«
»Lügner.«
Sie stand auf und griff hinter ihren Rücken. Die Nackenträger lösten sich, fielen auf ihre Schultern. Sie zog das Top aus und schleuderte es von sich. Es segelte am Felsen entlang auf den Strand hinunter.
Ihre hohen Brüste waren klein und fest. Wunderschön. Die blauen Augen
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