Versteckt
wäre das Loch vom Tunnel aus in den Keller gegraben worden.
Hinter dem Fundament führte der Gang durch massiven Fels und machte dann eine Biegung, sodass ich nichts mehr erkennen und nicht abschätzen konnte, wie weit er reichte.
Ich wollte da nicht hineinklettern.
Instinktiv begriff ich, dass dort sowohl etwas Totes als auch etwas Lebendiges auf mich wartete. Das Tote konnte ich riechen. Und das, was dort lebte, war nicht Casey. Keine Ahnung, woher ich das wusste, aber ich wusste es einfach.
Das Streichholz ging aus. Ich zündete das nächste an und schützte es mit der Hand.
»Case?«
Ich streckte das Streichholz vor mich, atmete tief ein, hielt die Luft an und zwängte mich vorsichtig in das Loch.
Ich war kaum einen halben Meter weit gekommen, als das Streichholz verlosch. Ich zündete drei auf einmal an und erreichte beinahe die Biegung, bevor auch diese ausgingen. Der Wind wurde stärker, und die Luft war stickig und feucht vom Meerwasser. Der Fels über und unter mir fühlte sich nass und glitschig an, meine Kehle dagegen wie ausgedörrt.
Ich zündete die restlichen Streichhölzer an und kroch weiter, wobei ich sie wie eine Fackel vor mir hertrug. Dann umrundete ich die Kurve. Das Licht reichte gerade einen Meter weit, die Schwärze des Tunnels dagegen schien sich ewig hinzuziehen. Doch es war hell genug, um die grüne Tasche zu erkennen, die fast direkt neben meiner Hand lag.
Ich griff danach, packte den dicken Stoff. Etwas Reines, Sauberes an diesem schmutzigen Ort. Ich zog sie zu mir und hörte das Klimpern leichter Metallgegenstände darin. Es waren zwei Taschenlampen.
Ich zog eine heraus und richtete den Lichtstrahl in den Tunnel.
Am liebsten hätte ich losgeheult wie ein kleines Kind.
Die dritte Taschenlampe lag nur einen Meter vor mir einsam und verlassen auf dem Boden.
Dahinter sah ich nur eine große Leere und feuchte, glänzende Felsbrocken. Nach ungefähr sechs Metern folgte die nächste Biegung. Ich lauschte.
Irgendwo vor mir war ein Lebewesen.
Es stand dort im Windhauch jenseits meines Lichts.
Ich lauschte. Und ich spürte, dass es seinerseits lauschte.
Zu hören war nichts, aber ich fühlte seine Anwesenheit. Es war etwas Mächtiges. Etwas, das mich daran hinderte, noch einmal ihren Namen zu rufen, etwas, das mich erstarren ließ. Was es auch sein mochte, es würde mich mit Freuden töten. Das wusste ich. Das wusste ich auf jener unbewussten, instinktiven Ebene, auf der wir nach wie vor Jäger und Gejagte in der Savanne unter dem Dschungelmond sind. Es war da, direkt hinter der nächsten Biegung. Eine fremdartige Intelligenz, ganz anders als meine eigene. Sie taxierte mich, versuchte, mich einzuschätzen.
Was ich als Nächstes tat, geschah ebenfalls rein aus Instinkt, und ich glaube, es hat mir das Leben gerettet. Ich schaltete die Taschenlampe aus.
Und wartete. Es roch nach Tod, nach meinem oder Caseys oder vielleicht dem Tod dieses Etwas. Es war nur eine Frage der Zeit, dann würde ich es herausfinden.
Ich wartete. Eine Ewigkeit lang bewegte ich mich nicht und versuchte, ruhig, leise und gleichmäßig zu atmen. Es rührte sich nicht von der Stelle, wartete darauf, dass ich den intensiven, schrillen Geruch der Angst ausströmte. Ich drängte die Furcht tief in mein Innerstes zurück, bemühte mich, zur Ruhe zu kommen und dadurch vielleicht sogar mein Gegenüber zu verunsichern. Die Zeit verging.
Während ich hier wartete, lag Casey womöglich im Sterben.
Aber ich hatte keine Wahl. Ich konnte nicht anders.
Ich hörte es atmen. Flach, feucht und schwer. Wie durch geronnene Blutklumpen.
Dort in der Finsternis konnte einfach alles lauern.
Lange konzentrierte ich mich nur auf meinen Herzschlag. Dann bemerkte ich eine Veränderung.
Zur Sicherheit ließ ich noch einige Augenblicke verstreichen.
Doch was es auch war, es war verschwunden.
Ohne die Taschenlampe einzuschalten, kroch ich so schnell wie möglich zurück.
Mit der Lampe in der einen und der Tasche in der anderen Hand rannte ich zur Treppe zu. Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal.
Wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich danach nur an die Stille. Nicht an das Geräusch meiner Schritte oder meinen schweren Atem. Nur an die Stille. Wie ich durch den Flur stolperte und die Treppe zum ersten Stock hinaufeilte.
Und den Flur entlang, zu Steven.
19
Er sah auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmte.
»Was ist passiert?«
Mit zitternden Fingern löste ich das Seil von seinen Handgelenken. Es überraschte mich
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