Versteckt
reinsehen?«
»Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.«
Er zuckte mit den Schultern. »Das ist mir schon klar. Und mir wäre lieber, ich hätte es nicht gesagt.«
Wir kramten in dem Schrott herum.
Eine gute Idee. So konnten wir uns beschäftigen, hatten ein Ziel vor Augen, fühlten uns tatkräftig und vernünftig. Wir arbeiteten leise und gründlich und waren froh, eine Aufgabe zu haben.
Ich entschied mich für eine Mistgabel.
Auf der linken Seite fehlten zwei Zinken, dafür steckte der Stiel fest im Werkzeugkopf und wackelte nicht. Außerdem war sie lang genug, um alles, worauf wir stoßen würden, einigermaßen auf Distanz zu halten. Steven wählte einen soliden und mindestens zwei Kilo schweren Axtgriff. Die Messer waren verrostet und nutzlos, daher mussten wir uns mit diesen behelfsmäßigen Waffen begnügen.
Wir waren bereit.
Ich wusste genau, was er am liebsten gefragt hätte, weil ich ihn dasselbe fragen wollte: Bist du dir auch ganz sicher?
Aber keiner von uns sprach es aus.
Wahrscheinlich war es keine besonders schlaue Idee, aber, gottverdammt, Casey war da drin, das Mädchen, mit dem ich Sex gehabt hatte, dem ich zugehört hatte und das mir immer mehr ans Herz wuchs. Die Frau, die mir endlich ein paar Gründe dafür verraten hatte, warum sie so war, wie sie war, die in mir einen Freund und Liebhaber gefunden hatte. Ich hing an ihr. Ich würde sie nicht im Stich lassen.
Und Steven hatte wahrscheinlich auch seine Gründe.
Da war ich mir sicher.
An dieser Stelle bedarf es wohl einer Erklärung.
Denn eigentlich war es ja völlig bescheuert, was wir da vorhatten.
Wenn man gesund und unversehrt ist, denkt man automatisch, dass einem nichts Schlimmes passieren kann, egal, wie viel Angst man hat. Erst mit dem Schmerz kommt die Einsicht, dass man nicht unverwundbar ist. Und dann ist es zu spät. Dann kommt es nur noch darauf an zu überleben. Aber vorher macht man einen auf dicke Hose. Der Verstand führt eine schnelle Inventur durch und stellt fest, dass du stark, gesund und nicht tot bist. Worüber machst du dir also Sorgen? Dein Körper meldet sich beleidigt: Hab ich dich jemals hängen lassen, wenn es hart auf hart kam? Doch wohl nicht. Du hast zwar ein bisschen wacklige Knie, aber du stürzt dich kopfüber ins Abenteuer. Aufgeregt. Unbesiegbar. Und dann bricht dein schlimmster Albtraum über dich herein.
Und warum? Weil die meisten Menschen dumm sind.
Ganz besonders junge Menschen.
Junge Menschen glauben nicht an den Tod. Man muss ihnen beibringen, an ihn zu glauben – und der Lehrmeister ist immer eine Krankheit oder ein grässliches Loch im Fleisch. Wunden. Schmerzen. Meistens kommt das erst später im Leben, dennoch ist es unvermeidlich.
Nur junge Menschen können Helden sein.
Also spielten wir ein bisschen mit unseren behelfsmäßigen Waffen und stiegen dann in den Tunnel.
Zunächst nicht besonders weit. Durch den ersten Abschnitt konnten wir nur hintereinanderkriechen. Ich bildete die Vorhut, die Mistgabel in der einen, die Taschenlampe in der anderen Hand. Steven war ständig hinter mir. Er folgte mir so dicht, dass wir uns oft berührten. Das gab mir ein gutes Gefühl.
Als wir um die Ecke bogen, weitete sich der Tunnel etwas. Trotzdem war es noch zu eng, um nebeneinander herzukriechen. Als Steven an meine Seite kam, scheuchte ich ihn wieder nach hinten. Ich wollte mich nicht noch stärker eingezwängt fühlen.
Caseys Taschenlampe lag direkt vor mir. Als Steven sie sah, stöhnte er leise auf, was mir jedoch ziemlich laut vorkam.
Der Luftzug wurde kälter, wehte aber nicht mehr so stark wie vorhin. Der Gestank war immer noch unerträglich. Ich fragte mich, wie es Steven jetzt wohl ging, schließlich bekam er ihn zum ersten Mal so richtig ab. Ob ihm davon schlecht wurde? Manchmal macht man sich über die unmöglichsten Sachen Gedanken, über völlig unwichtige Dinge. Vielleicht, weil das Gehirn die ständige Konzentration nicht aufrechterhalten kann. Ich fragte mich tatsächlich, ob er seine weiße Hose jemals wieder sauber kriegen würde. An so was dachte ich. Erstaunlich.
Ich legte die Taschenlampe weg und schaltete Caseys Lampe ein. Nichts. Als ich sie näher betrachtete, sah ich, dass das Glas zerbrochen und mit einem Netz feiner Splitter überzogen war. Hinter dem Plastikkopf wies der Aluminiumgriff an zwei fast gegenüberliegenden Stellen tiefe Dellen auf, als hätte ihn eine stahlharte Hand oder eine Zange zusammengedrückt.
Wortlos reichte ich die Lampe an Steven
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