Verstohlene Blicke - Erotischer Roman
nett zu mir gewesen ist, stellte sich nämlich als ein Lude heraus, der mich nur angefüttert hat.«
Linda zog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. O je, das war ja schlimmer, als sie befürchtet hatte.
Evelyn erzählte ungerührt weiter, so, als beträfe das alles nicht sie, sondern eine entfernte Bekannte. »So ging das eine Weile, bis mich schließlich ein Sozialarbeiter von der Straße geholt hat. Der war meine Rettung.« Versonnen spielte sie mit dem Kabel ihrer Kopfhörer. »Na ja, ich hab dann das Abi nachgemacht, das war für mich so was wie eine Bestätigung, dass es in meinem Kopf nicht nur Watte gab, sondern dass ich es hirnmäßig noch draufhatte.«
Linda erinnerte sich daran, dass Evelyn immer intelligenter und besser in der Schule gewesen war als sie. Ohne Evelyns Hilfe hätte sie die Schulzeit nie so gut überstanden, und wäre Evelyn nicht durch ihre Schuld in der zehnten Klasse weggezogen, hätte Linda ihr Abi sicherlich besser als mit drei Komma gemacht.
»Ich bekam dann einen Job in einem Supermarkt und eine kleine Wohnung in einer betreuten Wohngemeinschaft. War nicht schlecht, zumindest konnte sich mein Alter nicht mehr an mir vergreifen.«
Linda senkte den Blick. Sie konnte die alte Freundin nicht anschauen. Mit diesen Worten hatte sie bestätigt, was sie schon lange vermutet hatte. Noch nicht damals, da wusste sie von derlei Ungeheuerlichkeiten nichts, war relativ behütet aufgewachsen und im Prinzip vom Guten im Menschen überzeugt gewesen.
Als sie den Kopf wieder hob, sah sie direkt in die Augen Evelyns, die sie wohl schon eine Weile angesehen haben musste. Ihr Blick war so von Schmerz durchdrungen, dass es Linda wehtat. Von unten hörte sie das Gelächter Katrins und Cordulas, und es schien ihr, als stammten diese Geräusche aus einer anderen Welt.
»Was willst du noch wissen? Wie oft ich umgezogen bin? Wie oft ich die Arbeitsstelle gewechselt habe? Die Freunde?«
Linda schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte genug gehört. Für’s Erste. Sie erhob sich. Mit leiser Stimme sagte sie: »Es tut mir alles so leid, Eve, ich wollte, ich könnte ungeschehen machen, was dir widerfahren ist.« Hatte sie das wirklich gesagt? Fühlte sie sich schuldig? War sie es? War das, was Evelyn hatte erleben müssen, eine direkte Folge ihres Tuns? Wäre es ihr sonst anders ergangen? Die Wahrheit war: Niemand konnte das sagen. Vielleicht gab es ja tatsächlich so etwas wie eine Vorbestimmtheit des Schicksals. Vielleicht musste sie sich gar keine Gedanken, keine Schuldgefühle machen. Vielleicht. Aber als sie die Tür leise hinter sich zuzog, wusste sie, dass dem nicht so war.
Mich einfach so aufs Zimmer zu schicken! Abzuschieben! Ich kam mir vor wie der ungeliebte Verwandte. Mich so zu brüskieren vor ihren scheiß Freundinnen! Das wird sie mir büßen, die liebe Linda! Da konnte sie auch nichts mehr kitten, als sie irgendwann nach oben kam, um mit mir zu sprechen. Wie es mir ergangen sei seit meinem Wegzug! Wegzug! Ja, was hat sie denn gedacht? Dass ich schön weiter mit ihr zusammen in eine Klasse gehe, womöglich noch mit ihr übe, damit sie das Abi schafft? Rückgängig machen! Ja klar, wenn ich das könnte, würde ich auch so einige Jahre aus meinem Lebenslauf streichen.
Wie sie mich angesehen haben, die beiden »Freundinnen«! Als ob ich geradewegs aus der Rote-Kreuz-Kammer gekommen wäre. Sicher haben sie jedes Stück, das ich auf dem Leib trug, von Linda gekannt. Genauso wie früher in der Schule. Wie furchtbar war es für mich, wenn jemand gesagt hat: Das gehört doch Linda! Dasselbe hat doch Linda schon angehabt! Dieses Gefühl, das Letzte zu sein. Wie habe ich es hassen gelernt! Und jetzt bin ich wieder der letzte Dreck. Auf Hilfe angewiesen, ihre Hilfe. Gibt es wirklich keinen anderen Weg?
Cordula
Sie hasste Einkaufen! Doch ab und zu musste es sein. Dieses Gedränge in den Supermärkten. Die idiotische Musikberieselung und die Dauerwerbesendungen, die aus den Lautsprechern quollen. Die Schlangen an den Kassen, die quengelnden Kinder. Immer einen Wagen, der nach links oder rechts zog. Cordula war denkbar schlechter Laune, als sie die Einkäufe im Kofferraum ihres Autos verstaute. Wenn sie erst in ihrer Wohnung war, würde sie sich mit einer Flasche Wein in die Badewanne legen. Ihr Rücken tat auch schon wieder weh.
Ein schwarzer Wuschelkopf beugte sich zu ihr herunter und sie erschrak.
»Wer sind Sie?«, fuhr sie den Fremden an.
»Mein Name ist Peter. Und Sie sind, wenn ich mich nicht
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