Verstohlene Kuesse
Stadt verlassen hat, weil ihm klar wurde, dass seine Situation schwierig geworden ist«, antwortete Edison. »Aber es könnte auch einen anderen Grund dafür geben, dass er gerade jetzt verschwunden ist.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Vielleicht hat er ja ganz einfach sein Ziel erreicht. Vielleicht hat er das Rezept oder das Buch der Geheimnisse gefunden. Wir wissen immer noch nicht, auf was von beidem er es abgesehen hatte.«
Victoria sah ihren Enkel an. »Meinst du, dass er Emma immer noch in seine Hände bekommen will?«
Edison antwortete nicht sofort, sondern wandte sich seiner Verlobten zu und bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick, als wäre sie ein interessantes, wissenschaftliches Problem.
Emma mochte den Ausdruck in seinen Augen nicht, und so trat sie einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hand. »Einen Augenblick. Jetzt übertreiben wir besser mal nicht. In diesem Moment ist Basil Ware entweder mit dem gestohlenen Buch im Gepäck auf dem Weg in Richtung Kontinent oder aber er versucht, auf irgendeinem anderen Wege zu entkommen, Sir. So oder so hat er wesentlich wichtigere Dinge als meine Entführung im Kopf.«
»Ich glaube nicht, dass wir uns darauf verlassen sollten«, widersprach Edison in ruhigem Ton.
Emma kniff erschöpft die Augen zu und sank auf den nächststehenden Stuhl. »Wissen Sie, Sie können mich nicht für alle Zeit in diesem Haus gefangen halten. Dann werde ich vollkommen wahnsinnig.«
»Es gibt natürlich eine Alternative«, sagte Edison beinahe beiläufig.
»Und die wäre?« Emma schlug die Augen wieder auf.
»Du könntest zu mir ziehen.«
»Ich glaube nicht.« Emma blitzte ihn strafend an. »Auch wenn mein Ruf inzwischen sicher nicht mehr der allerbeste ist, möchte ich doch zumindest das bewahren, was von ihm noch übrig ist.«
»Da haben Sie vollkommen Recht.« Victoria klappte ihr Buch zu und stand entschieden auf. »Ich hingegen kann kommen und gehen, wie es mir gefällt, und ich glaube, ich kann euch beiden in diesem kleinen Drama durchaus nützlich sein.«
Emma und Edison starrten sie mit großen Augen an.
»Und wie?«, fragte ihr Enkelsohn.
Victoria bedachte ihn mit einem kühlen Lächeln, aber in ihren Augen leuchtete so etwas wie Begeisterung. »Hier in London fließen die Gerüchte wie Wasser durch ein Sieb. Warum besuche ich heute Nachmittag nicht ein paar meiner alten Freundinnen? Vielleicht finde ich auf diesem Weg etwas heraus. Wer weiß? Vielleicht hat Basil Ware versehentlich irgendjemandem gegenüber irgendetwas gesagt, was auf seine Pläne schließen lässt, ohne dass dieser Jemand es verstanden hätte.«
Edison zögerte, doch schließlich nickte er. »Ein Versuch wäre ganz sicher lohnenswert. Und ich für meinen Teil klappere meine Clubs ab und höre mich dort ein wenig um.«
Emma verzog das Gesicht. »Und was ist mit mir?«
»Sie können den Brief an Ihre Schwester fertig schreiben.« Victoria wandte sich bereits zum Gehen. »Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt, gehe ich hinauf und ziehe mich um. Schließlich muss man, wenn man Erfolg haben will, angemessen gekleidet sein.«
Emma wartete, bis die Tür hinter Victoria ins Schloss gefallen war, ehe sie Edison anblickte.
»Ich glaube, Ihrer Großmutter macht dieses Abenteuer richtig Spaß.«
Er lächelte. »Da hast du vermutlich Recht. Wirklich erstaunlich, finde ich.«
»Offensichtlich ist diese Vorliebe für Abenteuer jeder Art typisch für Ihre Familie.«
Meine liebe Daphne:
Ich habe gute und schlechte Neuigkeiten für Dich. Erst die gute. Es scheint, als ob mein momentaner Arbeitgeber meine Dienste nicht mehr allzu lange nötig haben wird.
Emma brach ab und blickte traurig auf das, was sie geschrieben hatte. Die Tatsache, dass ihre Anstellung bei Edison nicht mehr lange währen würde, war nicht gerade positiv. Etwas Betrüblicheres konnte sie sich nicht vorstellen. Der Gedanke an das einsame Leben, das sie ohne ihn zu führen gezwungen wäre, schnürte ihr die Kehle zu. Gütiger Himmel, sie hatte sich tatsächlich in den Mann verliebt.
Genug. Sie musste sich, wenigstens Daphne zuliebe, zusammenreißen. Entschlossen tauchte sie die Feder in die bläulich schwarze Tinte ein.
Ich hege die berechtigte Erwartung, dass ich im Verlauf der nächsten Tage den noch ausstehenden Teil meines Gehalts bekommen werde. Es ist etwas schwierig, ihn dazu zu bewegen, mir eine Referenz zu schreiben, aber ich denke, dass er es am Ende tut. Bitte halt noch ein wenig in Mrs.
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