Verstohlene Kuesse
»Die Haushälterin hat gesagt, er wäre auf seinen Landsitz zurückgekehrt. Ich habe einen der Detektive nach Ware Castle geschickt, aber ich bezweifle, dass er Ware dort finden wird.«
Victoria runzelte die Stirn. »Emma hat mir das meiste von dem, was in den letzten Stunden vorgefallen ist, erzählt. Was meinst du, was jetzt passiert?«
»Ich kenne immer noch nicht die ganze Geschichte«, antwortete ihr Edison. »Aber ich glaube, ich kann mit Sicherheit behaupten, dass Ware einmal ein Mitglied der Vanzagarianischen Gesellschaft war. Das ist die einzige Erklärung dafür, dass Sally Kent die Blume von Vanza gesehen hat.«
»Arme Sally«, wisperte Emma. »Ich frage mich, ob er sie deshalb getötet hat.«
»Das bezweifle ich«, erklärte Edison. »Schließlich hatte die Tätowierung keinerlei Bedeutung für sie.«
»Aber mit irgendetwas hat sie ihn erpresst. Vielleicht hat sie behauptet, dass sie von ihm schwanger war. Damit hätte sie sicher keinen Erfolg gehabt. Am Ende hat er sie tatsächlich ausbezahlt, also muss sie etwas über ihn in Erfahrung gebracht haben, was wirklich gefährlich für ihn war -«. Plötzlich brach sie ab. »Genau.«
»Was?« Edison blickte sie fragend an.
»Mord. Ich denke, dass sie den Mord mit angesehen hat. Gütiger Himmel.«
Victoria starrte sie entgeistert an. »Was für einen Mord?«
»Den Mord an Lady Ware.« Emma wusste, dass das die einzig logische Erklärung war. »Das erklärt alles. Polly, das Mädchen, hat mir erzählt, dass sie Basil in der Nacht, als Lady Ware gestorben ist, aus ihrem Zimmer kommen sah. Er hat ihr erklärt, seine Tante hätte soeben das Zeitliche gesegnet und ging los, um den Haushalt darüber zu informieren. Polly ging in das Schlafzimmer und sah Lady Ware im Bett liegen. Gerade, als sie ihr die Decke über das Gesicht ziehen wollte, kam auf einmal Sally Kent aus dem Ankleidezimmer geschossen. Sie war kreidebleich, als hätte sie einen Geist gesehen, und rannte kopflos davon.«
Edison sah Emma an. »Dann meinst du also, sie hätte gesehen, wie Basil seine Tante ermordet hat?«
»Meine frühere Arbeitgeberin hatte während unseres Aufenthaltes auf der Burg Lady Wares altes Schlafzimmer. Der Ankleideraum liegt so, dass es durchaus möglich wäre, sich darin zu verbergen, ohne dass jemand im Schlafzimmer etwas davon bemerkt. Ich wette, als Basil seine Tante zum letzten Mal besucht hat, war Sally gerade dort.«
»Falls sie gesehen hat, dass Ware den Tod der Frau beschleunigt hat, wäre das tatsächlich eine Erklärung dafür, dass er von ihr erpresst wurde«, stellte Edison nachdenklich fest.
»Allerdings. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bezahlte Gesellschafterinnen, die so dumm sind, sich mit ihren Arbeitgebern oder einem Mitglied der Familie ihrer Arbeitgeber einzulassen, selten für ihre Bemühungen bezahlt werden. Eher werden sie mit Schimpf und Schande vor die Tür gesetzt.« Emma bedachte Edison mit einem vielsagenden Blick. »Sie bekommen noch nicht mal ein Empfehlungsschreiben, ganz zu schweigen von zweihundert Pfund.«
Edison runzelte die Stirn. »Dies ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um auf dieses Thema zu sprechen zu kommen.«
Victoria sah ihn verwundert an. »Worüber in aller Welt redet ihr beiden da?«
»Über nichts Wichtiges«, murmelte Edison. »Alles, was wir in diesem Augenblick haben, ist reine Spekulation. Vielleicht findet ja der Detektiv noch etwas heraus. Aber bis er zurückkommt, treffe ich besser noch ein paar Vorsichtsmaßnahmen.«
Emma sah ihn fragend an. »Was für Vorsichtsmaßnahmen?«
»Ich habe einigen Einfluss in gewissen Hafengegenden. Ich habe eine Belohnung ausgesetzt für denjenigen, der mir einen Mann meldet, auf den Wares Beschreibung passt und der entweder hier in London oder aber in Dover an Bord eines Schiffes gehen will. Darüber hinaus habe ich diversen Mitgliedern der Vanzagarianischen Gesellschaft ans Herz gelegt, nach Ware Ausschau zu halten.«
»Was, wenn er nach Norden geht?«, mischte sich Emma wieder ein. »Oder wenn er sein Aussehen verändert und einen anderen Namen annimmt?«
Edison zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht gesagt, dass es leicht werden wird, ihn zu finden. Aber früher oder später wird er uns ins Netz gehen.«
»Hmm.« Emma blieb neben dem Schreibtisch stehen und trommelte nervös mit den Fingern auf dem Mahagoni herum. »Er ist ziemlich gewieft. Nun, da er weiß, dass wir ihm auf den Fersen sind, verwischt er bestimmt seine Spur.«
»Du denkst, dass er die
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