Verstohlene Kuesse
Osgoods Schule für junge Damen aus. Nun zu den weniger erfreulichen Nachrichten. Immer noch habe ich nichts von der Goldenen Orchidee gehört. Demnach scheint sie tatsächlich auf See verloren gegangen zu sein, obgleich ich die Hoffnung einfach nicht aufgeben kann, dass das Schiff am Ende doch noch von seiner Fahrt zurückkehren wird. Vielleicht liegt das nur daran, dass ich einfach nicht glauben will, dass ich so närrisch war, in ein derart fehlgeschlagenes Unternehmen investiert zu
Die Räder einer Kutsche klapperten im Hof, und ein unangenehmer Schauder rann Emmas Rücken hinab. Sie hob den Kopf von ihrem halbfertigen Brief und blickte auf die Uhr. Beinahe fünf.
Sie sah aus dem Fenster der Bibliothek und machte eine elegante rotschwarze, von zwei hübschen grauen Pferden gezogene Kutsche aus. Lady Exbridges Zweispänner. Offenbar war Victoria von ihrer Besuchsrunde zurück.
Natürlich war es ihre Kutsche, sagte sich Emma. Schließlich hatte Edison strikte Anweisung erteilt, dass kein anderes Gefährt hereingelassen würde, solange er nicht im Hause war. Selbst der Milchwagen und der Karren des Fischhändlers hatten nicht herein gedurft, so dass die Köchin gezwungen gewesen war, zum Kauf der Zutaten für das Abendessen auf die Straße zu marschieren.
Victoria hätte sicher interessante Nachrichten. Emma dachte, sie sollte froh über ihre Rückkehr sein, aber der Stoßseufzer blieb ihr im Hals stecken.
Es war einfach absurd. Es gab keinen Grund zur Panik, dachte sie. Einer der von Edison beauftragten Detektive beobachtete das Haus. Niemand käme ungesehen an ihm vorbei.
Draußen blieb die Kutsche auf dem Kopfsteinpflaster stehen. Emmas ungutes Gefühl verstärkte sich. Sie versuchte sich zu zwingen, ihren Brief an Daphne fortzusetzen, während sie darauf wartete, dass Victoria mit ihren Neuigkeiten kam.
Sie nahm die Feder zu fest in die Hand, so dass sie brach. Verärgert legte sie sie fort. Allmählich gingen wirklich die Nerven mit ihr durch. Offenbar war die Anspannung der letzten Tage selbst für sie langsam zu viel.
Inzwischen musste Victoria ins Haus gekommen sein. Emma spitzte die Ohren, während sie die mittlere Schublade des Schreibtischs auf der Suche nach einer neuen Feder öffnete. Und das kleine Messer entdeckte, das Victoria zum Spitzen ihres Schreibgeräts verwendete. Vorsichtig zog sie die Hülle ab und merkte, dass die spitze Klinge aus gutem, hartem Stahl geschmiedet war.
Aus dem Flur drangen leise Stimmen an ihr Ohr. Der Butler klang ungewöhnlich aufgeregt.
»Sir, ich muss wirklich darauf bestehen, dass Sie wieder gehen. Lady Exbridge hat strenge Anweisung erteilt, niemanden außer Mitglieder der Familie und deren Angestellte hereinzulassen.«
»Beruhigen Sie sich, guter Mann. Ich versichere Ihnen, dass Miss Greyson mich empfangen wird.« Basil Ware öffnete die Tür der Bibliothek. »Nicht wahr, Miss Greyson? Schließlich wäre Lady Exbridge sehr enttäuscht, wenn Sie sich nicht zu uns in ihre Kutsche gesellen würden.«
»Mr. Ware.« Emma starrte ihn entgeistert an. Wieder einmal hatte ihr Gefühl sie nicht getrogen, dachte sie.
»Bitte sagen Sie, dass Sie kommen werden, Miss Greyson.« Während Basil sie schlangenhaft freundlich anlächelte, glitzerte es in seinen Augen boshaft. »Es ist beinahe fünf. Wir machen eine kurze Spazierfahrt durch den Park. Die Großmutter Ihres Verlobten meint, es wäre die ideale Möglichkeit, in aller Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass Sie mit seiner Wahl mehr als nur einverstanden ist.«
»Was zum Teufel wollen Sie damit sagen, er wäre einfach hier hereinspaziert und hätte sie mitgenommen?« Edison drückte den armen Detektiv gegen die Wand der Bibliothek. »Sie sollten auf sie aufpassen. Ich bezahle Sie dafür, dass ihr nichts passiert.«
Der rotgesichtige Mann war mit den besten Empfehlungen gekommen, aber in dieser Sekunde hätte Edison ihm am liebsten die Gurgel umgedreht.
»Es tut mir Leid«, sagte der arme Will in jämmerlichem Ton. »Aber es war nicht meine Schuld, dass sie einfach mitgegangen ist. Miss Greyson hat darauf bestanden, mit Lady Exbridge zu fahren. Und über Mr. Ware hatten Sie nichts zu mir gesagt.«
Seine eigene Schuld, erkannte Edison. Ihm war niemals der Gedanke gekommen, dass Basil einfach hier hereinmarschieren könnte, als wäre nichts geschehen. Die Strategie des Offensichtlichen.
»Zumindest hätten Sie der verdammten Kutsche folgen können«, knurrte er.
»Tja nun, ich denke, es wird nicht
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