Verstohlene Kuesse
Gespräch verwickeln, um auf diese Weise vielleicht etwas über ihre Vergangenheit herauszufinden, hatte er gesagt.
Es verlief alles durchaus nach Plan, aber Emma stellte fest, dass sie es nicht mochte, wie sich Edison bei Miranda geradezu anbiederte. Es bestand keine Notwendigkeit für ihn, sich so dicht neben Lady Ames zu setzen, dass sie leicht mit ihren Fingern über seinen Oberschenkel streichen konnte. Auch wenn es eine augenscheinlich zufällige Geste war, spürte Emma, dass die leichte Liebkosung durchaus zielgerichtet war. Miranda versuchte, eines ihrer Netze zu spinnen, in dem sie für gewöhnlich Männer fing.
»Victoria, Lady Exbridge.« Basil klang ehrlich amüsiert. »Die Großmutter Ihres Verlobten. Sie ist heute Abend ebenfalls anwesend. Ganz sicher sind Sie der Grund dafür.«
Überrascht ließ Emma ihr Opernglas sinken und drehte sich zu Basil um. »Was wollen Sie damit sagen? Wo ist sie?«
»Sie sitzt im letzten Balkondrittel auf der anderen Seite.« Basil nickte unauffällig in die angegebene Richtung. »Die vierte Loge von links. Sie können sie unmöglich übersehen. Die Dame in dem blass lavendelfarbenen Kleid, die durch ihr Opernglas unverwandt in Ihre Richtung starrt.«
»Es scheint, als würde ich von der Hälfte der Theaterbesucher angestarrt«, murmelte Emma so leise, dass man sie kaum verstand. Und die andere Hälfte schien zu beobachten, was sich zwischen Edison und Miranda abspielte, dachte sie erbost.
Trotzdem blickte sie in die gewiesene Richtung und machte die schmale, aber höchst beeindruckende Frau in dem teuren lavendelfarbenen Kleid mit den passenden Handschuhen aus. Lady Exbridge beobachtete sie tatsächlich durch ihr Opernglas.
»Es heißt«, murmelte Basil, »sie und Stokes könnten einander nicht ausstehen. Unglücklicherweise blieb ihr nach dem Tod des Sohnes als einziger Verwandter nur das illegitime Enkelkind.«
Und er hat niemanden außer ihr, stellte Emma in Gedanken fest.
»Sie befinden sich im Kriegszustand, seit ihr Verlobter sie vor dem Bankrott gerettet hat.«
»Mir ist bewusst, dass es gewisse innerfamiliäre Spannungen gibt«, sagte Emma vorsichtig.
»Das ist noch milde ausgedrückt.« Basil zog eine Braue hoch. »Stokes' Vater hat sich weder für die Finanzen noch für die Güter der Familie interessiert. In der Tat hat Wesley Stokes sein gesamtes Erbe achtlos verspielt. Ehe er sich schließlich bei einem Reitunfall das Genick gebrochen hat.«
»Ja, natürlich, ich kenne die Geschichte«, kam Emmas spröde Erwiderung. »Ich finde, es war wirklich nobel von meinem, äh, Verlobten, dass er nach dem Tod seines Vaters das Vermögen der Familie gerettet hat.«
Basil sah sie grinsend an. »Es war sicher weder seine uneigennützige Großmut noch sein Familiensinn, der ihn dazu bewogen hat. Allgemein ist man der Auffassung, dass er es getan hat, um Lady Exbridge zu erniedrigen.«
»Sie zu erniedrigen? Wie in aller Welt sollte er sie durch eine derartige Geste erniedrigen?«
»Es heißt, er hätte die Hoffnung gehegt, sie zu zwingen, ihn endlich offiziell anzuerkennen. Was natürlich das Letzte gewesen wäre, was sie je getan hätte. Schließlich ist seine Existenz eine einzige Peinlichkeit für sie. Also hat sie sich lieber vollkommen zurückgezogen als sich in eine Position zu begeben, in der sie gezwungen gewesen wäre, so zu tun, als wäre sie froh über die Verwandtschaft zu einem Mann wie Stokes.«
»Wie schrecklich.«
»Es heißt, dass Stokes das genaue Abbild seines Vaters ist. Jedes Mal, wenn Victoria ihn sieht, sieht sie demnach zweifellos Wesley vor sich und das, was ihr Sohn hätte sein können, wäre er ein anderer gewesen. Was sie sicher ohne Ende wütend macht.«
»Wie traurig für die beiden.«
Basil lachte beinahe böse auf. »Also bitte, meine liebe Miss Greyson. Sie sind viel zu weichherzig. Sie verstehen nicht, wie sich solche Dinge in unseren Kreisen abspielen. Ich versichere Ihnen, dass weder Stokes noch Lady Exbridge auch nur eine Minute ihres Lebens damit verschwenden, darüber betrübt oder gar traurig zu sein. Dafür haben sie beide viel zu viel Freude an dem ständigen Gefecht.«
Emma beobachtete, wie Lady Exbridge ihr Opernglas sinken ließ und sich der neben ihr sitzenden kräftigen Matrone zuwandte. Obgleich sie Lady Exbridges Miene nicht erkennen konnte, verriet ihr etwas an ihren steifen, knappen Bewegungen, dass Basil im Unrecht war. Lady Exbridge fand kein Vergnügen an dem Krieg mit ihrem Enkelsohn. Man brauchte
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