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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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erwachsenen Mann hindurchschlüpfen zu lassen. Wegen der meterhohen, wilden Weißdornsträucher war das Loch vom Gipfel aus nicht zu sehen gewesen. Dies war die letzte Möglichkeit, die noch blieb. Dort drinnen musste der Schütze sich versteckt halten.
    Er schaltete den Illuminator ein. Die Umgebung leuchtete mit schärferen Kontrasten auf, als man sie an einem sonnigen Tag durch eine grüne Brille hindurch hätte sehen können. Er legte sich auf den Bauch und kroch auf den Felsspalt zu. Spähte hinein. Auf den ersten Blick schien es höchstens ein bis zwei Meter in die Tiefe zu gehen, dann aber stellte er fest, dass die Öffnung gut viermal so weit reichte. Er kroch noch ein Stück voran. Als er sich schließlich sicher sein konnte, dass niemand dort war, erhob er sich und ging aufrecht weiter. Zu seiner Linken fand sich in Brusthöhe ein natürliches, mit Moos und Grasbüscheln bewachsenes Plateau, dahinter eine weitere Öffnung. Er legte das Jagdgewehr an die Schulter, den Finger um den Abzug und spähte in die Öffnung. Ein Durchgang, wenn man es so nennen wollte: kaum einen Meter breit. Rauer Stein mit Moos und Kalkablagerungen.
    Er stützte den Ellbogen auf das Plateau und stieß sich mit den Füßen ab. Schwang erst das eine, dann das andere Bein hinauf. Ging in die Hocke und legte das William Powell wieder an seine Schulter.
    Womöglich hatte der Mann es sich irgendwo dort im Hintergrund gemütlich gemacht und wartete nun auf ihn. Er hatte vielleicht keine Waffe mehr, konnte aber auch mit einem Messer ganz gut umgehen. Maier musste wachsam bleiben.
    Der Restlichtverstärker verschaffte ihm einen gewissen Vorteil. Hier herrschte zwar eine Grabesfinsternis, aber mit Hilfe des Infrarotstrahlers konnte er sich bewegen wie am helllichten Tag.
    Alles blieb still.
    Er legte sich erneut auf den Bauch und arbeitete sich auf Knien und Unterarmen langsam voran. Bei jeder Bewegung scheuerte ihm Kleidung über die offenen Wunden. Es brannte höllisch, als würde jemand Salzsäure darüber sprenkeln. Er stieß einen gedämpften Fluch aus und kroch weiter.
    Er war nun ringsum von Felswänden umgeben, in denen unregelmäßige, vor Feuchtigkeit glänzende Risse klafften. In ein paar Metern Entfernung wurde der Durchgang schmaler und machte eine Biegung nach rechts. Er kroch weiter. Atmete durch den Mund ein und aus. Spürte sein Herz schnell und unregelmäßig pochen.
    Die Decke wurde immer niedriger. Sein Rucksack schleifte am Gestein entlang und blieb immer wieder hängen. Er befreite seine Arme aus den Trageriemen und ließ den Rucksack zurück.
    Während er immer tiefer ins Innere des Felsens hineinkroch, stellte er sich vor, dass Tausende Tonnen massiven Gesteins auf ihm lasteten, ihn einschlossen und immer näher kamen. Zunehmend streifte er mit der Schulter an den rauen Felswänden entlang, und um sich nicht an vorstehendem Gestein zu stoßen, musste er sich immer mehr ducken. Ein Schauder durchlief ihn.
    Er schluckte. Erst einmal, dann noch einmal. Sein Mund war papptrocken. Kurz hielt er die Luft an und schloss die Augen. Versuchte, sich Mut zuzusprechen. Das gelang ihm nicht so recht.
    Wenn dies nun gar kein Durchgang war? Wenn es nur immer schmaler und enger würde, bis er schließlich feststeckte?
    Und wenn der andere sich irgendwo in der Nähe versteckt gehalten hatte, um sich von hinten zu nähern, ihn aufzuschlitzen und als Futter für die Füchse hier liegen zu lassen?
    Der Gang war zu schmal, als dass er hätte umkehren oder auch nur das Gewehr auf ein Ziel richten können, das nicht direkt vor ihm lag. Die feuchten Wände schienen zu atmen, schienen sich im Rhythmus seiner Atemzüge zusammenzuziehen und wieder auszudehnen und ihn immer weiter einzuschließen. Als wollten sie ihn ersticken. Als wäre er in den Darm eines riesigen Fossils hineingeraten.
    Langsam bemächtigte sich seiner eine Panik, die ihn vollständig lähmte. Er erstarrte. Seine zitternden Muskeln versagten ihm den Dienst. Er konnte weder vor noch zurück. Kalter Schweiß brach ihm aus, und in seinen Ohren hörte er ein Pfeifen. Im Stillen beschimpfte er sich wegen dieser irrationalen Angst. Versuchte, sie mit Hohn zu übertönen.
    Diesen Gang gab es wahrscheinlich schon seit Jahrhunderten, überlegte er. Er hatte sich vermutlich schon in der Eiszeit gebildet, als die Leute noch in Bärenfellen herumgelaufen waren. Oder noch früher. Der würde nicht jetzt plötzlich einstürzen. Jetzt nicht, nächste Woche nicht, überhaupt nicht.
    Reiß

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