Verstoßen: Thriller (German Edition)
kaputtgemacht hatte. Nicht der Zombie, der Sven ermordet hatte. Kein Serienmörder mit einem Messer zwischen den Zähnen. Sondern Roger. Wie konnte der es wagen, hier aufzutauchen.
Was für eine Dreistigkeit.
Eine enorme Wut stieg in Susan auf. Sie schwang das Bein über den Fensterrahmen ins Zimmer zurück. Fest umklammerte sie das Stungun, zitternd fand ihr Daumen den Schieberegler.
Dass ihre Mutter sie zurückzuhalten versuchte, wurde ihr nur halb bewusst. Sie sagte etwas, aber Susan hörte es nicht. Sämtliche Denkfunktionen waren ausgeschaltet.
Muskellähmung. Je länger der Kontakt, desto größer die Wirkung.
Mit wenigen Schritten hatte sie Roger erreicht. Drückte ihm die Kontaktpole des Stunguns an die Brust. Die elektrische Gewalt ließ Rogers Körper erbeben. Mit einer unkontrollierten
Armbewegung sprang er zurück. Für den Bruchteil einer Sekunde starrte Susan verstört auf die Auswirkungen. Sein Grinsen war verflogen, er blinzelte verwirrt mit den Augen, und wo das Stungun sein Hemd berührt hatte, waren zwei dunkle Brandflecken entstanden.
»Susan! «, hörte sie Jeanny schreien.
Erst spürte sie nur einen Luftzug, der von irgendwo unterhalb ihres Blickfelds zu kommen schien. Im nächsten Moment kam es ihr vor, als explodierte ihr Magen. Sie sank auf dem Teppich in sich zusammen, würgte, hustete.
Aus dem Augenwinkel sah sie Jeanny auf Roger zustürzen, außer sich vor Wut. Sie sah, wie Roger ausholte. Jeanny hatte nicht die geringste Chance.
Ich muss ihr helfen, fuhr es Susan durch den Kopf. Ich muss ihr helfen! Sie zog die Knie an den Bauch, wälzte sich auf die Seite, stützte sich auf Händen und Füßen ab. Der Schmerz war unerträglich. Sie schluckte Galle hinunter.
Stand auf, unsicher, wankend.
Es wurde still im Raum. Sie blickte auf.
Roger stand hinter ihrer Mutter. Hatte die Fäuste in ihrem Nacken zusammengeballt und hielt etwas fest. Jeanny krallte die Hände an ihren Hals. Ein Draht. Roger ging rückwärts auf die Wand zu und zog sie mit. Hilflos fingerte Jeanny an dem Draht herum, ihr Mund bildete einen stummen Schrei. An ihrem Hals zeichneten sich angespannte Sehnen und Muskeln ab.
»Ihr Scheißweiber«, hörte sie Roger atemlos hervorstoßen.
Susan setzte zu einem neuen Angriff an.
»Das würde ich lassen«, sagte Roger. Seine Stimme klang seltsam beherrscht, wodurch sie noch weit bedrohlicher wirkte, als wenn er laut gebrüllt hätte.
Susans Blick wanderte von ihrer Mutter zu Roger. Sie ließ den Arm sinken.
»Und, hat deine Mutter dir ein bisschen von ihren Eskapaden erzählt?«
Entgeistert starrte Susan ihn an. Wusste nicht, was sie tun sollte.
Ohne den Blick von Susan abzuwenden, wandte er sich an Jeanny, flüsterte ihr ins Ohr.
»Was hast du ihr erzählt, Jeanny? Deinem lieben Töchterchen? Hattet ihr ein herzliches Wiedersehen?«
Rasselnd holte Jeanny Luft, während sie unermüdlich versuchte, den Draht von ihrem Hals wegzuziehen. Es war vollkommen nutzlos. Sie stand auf den Zehenspitzen. Hielt die Augen geschlossen.
»Deine Mutter hat im Atelier deines Vaters mit einem deutschen Spion gevögelt. Wusstest du das, Susan?«
Es macht ihm Spaß, musste Susan plötzlich denken. Der Arsch genießt das richtig.
»Freust du dich, dass ich dich wiedergefunden habe, Jeanny ?«, lispelte er. »Und zwar in einem so glücklichen Moment, zur Feier des Tages, an dem du dich mit deiner jüngsten Tochter wiedervereinst. Ist das nicht großartig? Schade, dass die Freude nur von so kurzer Dauer sein wird. Wie alle schönen Dinge im Leben.«
»Was hast du hier zu suchen?«, fragte Susan unvermittelt. »Warum bist du hergekommen? Hast du nicht schon genug Unheil angerichtet? Meine Mutter hat zwanzig Jahre ihres Lebens verloren, verdammt! Ich habe keine Ahnung, worum’s dir geht, aber irgendwann muss damit mal Schluss sein.«
Roger sah irritiert auf.
»Geht es um das Geld?«, fuhr sie fort. »Das kann sie zurückzahlen. «
Er wirkte nicht sonderlich beeindruckt. »Ach ja? Das ist schön.« Jeanny kam noch immer kaum mit den Füßen auf den Boden.
Susan konnte es nicht mehr mitansehen. »Hör auf, gleich erstickt sie, hör auf!« Es war eher eine Reaktion auf den Todeskampf ihrer Mutter direkt vor ihren Augen, als dass sie tatsächlich geglaubt hätte, irgendeinen Einfluss zu haben.
Er lächelte. »Die gute Jeanny hier hat mich ganz schön sitzen lassen.« Er wandte sich wieder an Jeanny, flüsterte ihr ins Ohr. »Na, was ist das für ein Gefühl, wenn jemand dich erwürgt?
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