Verstoßen: Thriller (German Edition)
einem
anscheinend biegsamen, leicht gekrümmten Inhalt, den er im Arm trug wie ein Baby.
Als der Mann sich auf ungeschickte Weise bückte, um die Autotür zu öffnen, fiel die Decke zurück und gab das Verborgene preis. Es war kein Zweifel möglich.
»Thomas«, sagte Sven eine Spur zu laut. »Verdammt, das ist Thomas!«
Maier sah zu Sven hinüber und bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass dieser im Begriff war aufzustehen. Wenn die beiden Männer jetzt nach oben schauten, konnten sie ihn sehen.
Reflexartig griff er nach Svens Arm und zog ihn zu Boden. »Runter mit dir, verdammt«, zischte er. »Bist du wahnsinnig? Willst du sie aufschrecken? Alles vermasseln? Du Schwachkopf! Kopf runter!«
»Ich knall den Typen ab!« Sven griff nach der Waffe, die er sich in den Hosenbund gesteckt hatte.
Maiers Finger schlossen sich wie ein Schraubstock um Svens Oberarm. »Reiß dich zusammen, du Idiot!« Seine Augen sprühten Funken, und seine Stirn war nur wenige Millimeter von Svens entfernt. »Deine Beretta ist auf einen Abstand von über dreißig Metern nicht mehr zielgenau. Das kann nur schiefgehen. Das ist kein Scharfschützengewehr, und das solltest du eigentlich wissen, du verdammter Hobbyschütze.«
Langsam kam Sven wieder zu sich. Maier lockerte seinen Griff. Sven sackte auf dem feuchten Betonboden in sich zusammen.
Maier richtete sich auf und schaute nach draußen, wo der Renault gerade langsam davonfuhr. Der Typ mit dem weißen Hemd saß hinter dem Lenkrad, der blonde mit dem roten T-Shirt auf der Rückbank. Sie fuhren die Straße nach Osten hinunter.
»Sie sind weg«, sagte er.
Sven hockte immer noch auf dem Boden. In der einen Hand hielt er die Beretta, mit der anderen strich er sich nervös durchs
Haar. »Jetzt hätte ich es fast versaut«, sagte er leise, mit abgewandtem Gesicht.
Anscheinend weinte er jetzt. Maier wollte das nicht sehen. Nicht dass er es unverständlich oder irgendwie sonderbar gefunden hätte. Nur sehen wollte er es nicht. Er richtete den Blick auf einen Riss in der hohen Decke, durch den ein Lichtstrahl in den Raum fiel.
»Ich sehe ihn bestimmt nie wieder«, hörte er Sven sagen.
Maier drehte sich zu ihm um. »Sie bringen ihn woanders hin. Das könnte ein gutes Zeichen sein.«
»Oder eben nicht.«
Maier hätte Sven gern versichern wollen, dass alles gut werden würde. Aber unter den gegebenen Umständen konnte niemand irgendetwas garantieren. Und doch glaubte er irgendwie nicht, dass sie dem Jungen etwas antun würden. Thomas war schon vor Tagen entführt worden. Meistens überlebten entführte Kinder nicht mal den ersten Tag. Offensichtlich brachten sie Thomas jetzt woanders hin, und die Vorsicht, die sie dabei walten ließen, ließ darauf schließen, dass er noch lebte.
Es ergab wenig Sinn, ein lebendiges Kind von einem Ort zum anderen zu bringen und alle damit verbundenen Risiken auf sich zu nehmen, nur um es dann zu töten. Das erschien schlichtweg nicht logisch.
»Wir haben jetzt mehr, als wir erwarten konnten«, sagte Maier. »Gleich am ersten Tag ein Treffer. Das ist verdammtes Glück, also Kopf hoch.«
»Thomas kann jetzt sonstwo sein.«
Mit einem Ruck löste Maier sich von der Wand. »Komm, wir gehen.«
»Und dann? Sollen wir im 37sten Departement durch die Gegend kurven und nach einem alten, dunkelgrauen Renault 21 Ausschau halten? Von denen wimmelt es doch nur so. Wir stehen wieder ganz am Anfang.«
Maier sah ihn schweigend an. Er wusste genau, was als Nächstes zu tun war, aber das würde er Sven derzeit noch nicht erzählen. Der musste erst wieder zur Besinnung kommen.
»Ja«, sagte Maier, »wir stehen wieder am Anfang. Aber wir haben ihn einmal gefunden, und ein zweites Mal wird es uns auch gelingen. Vertrau mir.«
»Ich will hierbleiben. Vielleicht kommen sie zurück.«
Maier schüttelte den Kopf. »Die fahren bestimmt nicht zum Spaß durch die Gegend. Komm, das hat keinen Zweck.«
Er hielt Sven die Hand hin. Der ließ sich hochziehen.
Hohl hallten ihre Schritte nach, während sie das Fabrikgebäude verließen.
17
In der Lobby vom Mercure Hotel in Nieuwegein herrschte ein Getümmel. An der Bar saßen Geschäftsleute, die sich, bevor sie auf ihre Zimmer gingen, noch ein letztes Gläschen genehmigten und nebenbei die Gelegenheit nutzten, den paar anwesenden Frauen zu imponieren.
Walter saß in einem dunkel gepolsterten Klubsessel. Ihm gegenüber ein Mann, dem er zwanzig Jahre lang nicht mehr begegnet war. Wäre es nach ihm gegangen, hätte das auch die
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