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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Maier zog die Pistole aus dem Mund und trat einen Schritt zurück.
    Der Junge hustete und zuckte mit dem Bein. Seine blonden Locken waren verklebt. Der Schweiß lief ihm in dünnen Strömen über Stirn und Wangenknochen.
    »St. Maure«, sagte er heiser. »Il est à St. Maure.«
    Sven beugte sich zu ihm und stellte eine Frage nach der anderen. Die Antworten kamen prompt, jedenfalls schien es Maier so.
    Die Musik dröhnte in seinen Ohren. How many times can I say I’m sorry sang ein Frauenchor voller Hingabe.
    Sven wandte sich wieder Maier zu. »Ein Bauernhof, kurz vor St. Maure«, sagte er, »unterhalb von Tours. Er liegt an der Straße nach Bordeaux, zwei oder drei Stunden Fahrt von hier. Er kann uns den Weg zeigen.«
    Maier verstand ihn kaum. »Hol die Karte«, sagte er knapp.
    Geistesabwesend starrte Sven ihn an.
    »Die Frankreich-Karte und was zum Mitschreiben! … Und stell diesen beschissenen Lärm ab.«
    Sven verschwand im Wohnzimmer. Die Musik verstummte. Kurz darauf kam er mit einer Straßenkarte von Frankreich zurück.
    Maier breitete sie im Bad auf dem Boden aus. Fuhr von Paris aus mit dem Finger über das Papier und fand schließlich einen Ort namens Tours. »Hier irgendwo?«
    »Ja, noch etwas weiter unten. Ich … ich kenn mich da unten ein bisschen aus«, sagte Sven.
    »Zufällig das 37ste Departement?«
    »Ja.«
    »Schreib die Adresse auf und alles, was er sonst noch weiß. Dann fahren wir gleich los.«
    »Und … und … «, stotterte Sven und schaute den jungen Kerl an, der offensichtlich Schmerzen hatte, »… was machen wir mit ihm?«
    »Der kommt mit. Sicherheitshalber. Verbinde ihm den Fuß.
Ich will nicht, dass er verblutet ist, wenn ich noch irgendwelche Fragen habe.«
    Als wäre der Teufel hinter ihm her, stürzte Sven erneut aus dem Raum. Kam mit einem kleinen Köfferchen zurück und kniete sich neben den Verwundeten. Als er ihm den blutigen Schuh ausziehen wollte, schrie er wieder vor Schmerzen auf.
    »Sag ihm, er soll sein Maul halten«, sagte Maier und zog sich ins Wohnzimmer zurück.
    Während er seine Schuhe, die Biwakmütze, den Laptop und ein paar andere Sachen zusammensuchte, drang ein gedämpftes Stöhnen aus dem Bad. Sicher gab Sven ihm Morphium. In diesem Köfferchen schleppte er eine halbe Apotheke mit. Weil Maier darum gebeten hatte, hatte er sogar einen Infusionsbeutel mit Glukose-Wasser dabei. Man konnte nie wissen.
    Erst nachdem er alles zusammengesucht hatte, setzte Maier sich kurz aufs Bett und stützte das Gesicht in die Hände. Aus dem Bad drang ein Übelkeit erregender, süßlicher Blutgeruch zu ihm, vermischt mit einem stechenden Kräuterduft.
    Bestimmt lag es daran, dass sich ihm fast der Magen umdrehte. Am Geruch. Der drückenden Hitze. Am Smog. Dem Schlafmangel. Der stickigen Wohnung. Aber er wusste, dass das Unsinn war.
    Lange hatte er sich nicht mehr so dreckig gefühlt.
    Er ging zum Fenster und öffnete es. Eine kühle Morgenbrise strich ihm über das verschwitzte Gesicht. Es war schon beinahe hell. Der Himmel mattrosa. In der Ferne dröhnten die Autos auf dem Périphérique. Das abgelegene Viertel schien allmählich aufzuwachen.
    Er atmete tief durch. Erst einmal, dann noch einmal.
    In den vergangenen Jahren war er mehrmals Menschen begegnet, die mit großem Vergnügen anderen Leuten Informationen zu entreißen versuchten, die richtiggehend auflebten, wenn sie ihr Opfer schreien und leiden sahen. Kranke Idioten.
    Er hatte dem Jungen nicht wehtun wollen.
    Es machte keinen Spaß, einem gefesselten, wehrlosen Typen von knapp zwanzig Jahren so viel Angst einzujagen, dass der einknickte und seine Kumpel verriet. Nein, besonders stolz auf sich selbst war Maier nicht. Und dass dieses ganze Schauspiel, diese One-Man-Show, ihm so viel leichter von der Hand gegangen war, als er sich selbst zugetraut hätte, beunruhigte ihn. Wie war noch mal der Spruch von Nicholas Cage in diesem dick aufgetragenen, konsequent unterbelichteten Film? Irgendwie so: »If you want to change the devil, the devil changes you.«
    Wieder hörte er Gewinsel aus dem Badezimmer, gefolgt von Svens beruhigenden Worten.
    Der Gedanke, der sich ihm jetzt aufdrängte, bewirkte nicht, dass es ihm besser ging. Im Gegenteil: Wenn er sich vorstellte, was noch auf ihn zukam, wenn sie erst den kleinen Thomas diesen Typen entrissen hätten, fühlte er sich eher noch elender.
    Offene Fragen waren lebensgefährlich. Als trüge man Sprengstoff am Körper und ließe die lange Lunte, die man hinter sich herschleifte,

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