Verstoßen: Thriller (German Edition)
sich die Biwakmütze über den Kopf und die Handschuhe an. Schnallte das Holster um und zog eine dünne Baumwolljacke über. Holte die Glock heraus und zog den Schlitten zurück, sodass die erste Patrone in die Munitionskammer wanderte und die Waffe scharf war. Steckte sie ins Holster.
Es befanden sich noch vierzehn Patronen im Magazin. Sicherheitshalber kalkulierte er auf zwölf. Wenn das Magazin mitsamt Patronen jahrelang herumgelegen hatte, konnte man sich auf die Metallfeder, die bei einem Feuergefecht die Patronen in rasend schnellem Tempo hochdrückte, möglicherweise
nicht mehr hundertprozentig verlassen. Sie konnte an Spannkraft verloren haben, wodurch die letzte Patrone nicht mehr oben ankam, möglicherweise auch die vorletzte nicht. Wenn man davon ausgegangen war, auf jeden Fall vierzehn Schuss zur Verfügung zu haben, konnte das unangenehm werden.
Von der Geschichte dieser Waffe wusste er überhaupt nichts, und er hatte auch keine Zeit gehabt, sich darum zu kümmern. Also ging er vorsichtshalber davon aus, dass die Magazinfeder eine Menge mitgemacht hatte.
Zwölf Patronen. Wenn das nicht reichte, dann saß er sowieso ziemlich in der Scheiße. Dann würde es auf ein oder zwei Schuss mehr auch nicht ankommen.
Thierrys Messer verschwand in der Seitentasche seiner Tarnhose.
Er machte kehrt und lief zum Saum des Waldes vor, auf die Wagenspur zu. Legte das letzte Stück auf dem Boden robbend zurück. Thierry zufolge gab es weder Sicherheitsmaßnahmen noch Wachen. Aber besonders viel Wert maß er dieser Aussage nicht zu.
Lieber ging er auf Nummer sicher und hielt sich nahe am Boden, damit Sträucher und Gestrüpp ihn verbargen. Es fiel ihm leicht. Er kam nicht mal außer Atem. Sorgen aber bereitete ihm das Geräusch, das die Fortbewegung seiner neunzig Kilo Körpermasse verursachte. Wegen der anhaltenden Trockenheit war der Waldboden mit abgefallenen Blättern und knochentrockenen dünnen Ästen übersät. Er hinterließ eine Spur der Verwüstung. Es sah aus, als wäre eine Horde von Elefanten durch den Wald getrampelt.
Ein anderes Übel war seine dunkle Kleidung. Im Wald war sie vorteilhaft, aber vor offener Landschaft würden sich Tarnhose, schwarze Biwakmütze und Pullover doch sehr abheben. Er musste so lange wie möglich im Schutz der Sträucher zu bleiben versuchen.
Eine Weile robbte er in etwa vier Metern Abstand parallel zu der Wagenspur, bis er am anderen Ende des Waldstücks herauskam, wo sich ihm die Sicht auf ein weiteres sanft abschüssiges Feld eröffnete. Es war vollkommen verlassen. Die Bauern hatten hier so viel Land, dass sie Zäune oder sonstige Absperrungen nicht brauchten. Allerdings gab es etwa zwei Meter von der Wagenspur entfernt einen knochentrockenen und etwa anderthalb Meter tiefen Graben.
Er zog sich dorthin und ließ sich hineinsacken. Als er mit einem Plumps unten landete, flogen zwitschernd ein paar Vögel auf.
Gebückt und schnell lief er los. Nach etwa dreißig Metern machte er Halt, setzte sich, nahm die Biwakmütze vom Kopf und verstaute sie in der Seitentasche seiner Hose. Sein Haar war etwa genauso schwarz wie diese Mütze, aber weil er noch kurz vor ihrem Aufbruch die Haarschneidemaschine eingesetzt hatte, schimmerte jetzt die Haut durch. Als Tarnfarbe war das noch besser.
Direkt vor ihm machte die Wagenspur eine Kurve nach links. Auf der gegenüberliegenden Seite war der Bewuchs höher und dichter. Sträucher, ein paar Bäume. Noch immer keine Spur von Bebauung. Er kroch vor und zog sich hoch. Spitzte die Ohren, hörte aber nichts außer Vogelstimmen und Verkehrslärm von der Autobahn, etwa drei Kilometer westlich. Er schaute nach links und nach rechts. Kletterte aus dem Graben, sprintete über die Wagenspur hinweg und verschwand auf der gegenüberliegenden Seite wieder zwischen den Sträuchern. Kroch dann noch ein paar hundert Meter neben dem Weg entlang.
Schließlich konnte er durch das Blätterwerk hindurch ein paar sandfarbene, eckige Konturen wahrnehmen. Langsam und mit nochmals gesteigerter Wachsamkeit kroch er durch die Sträucher vorwärts, sich des Knackens und Knisterns der Zweige und Blätter voll bewusst.
Ein Gehöft, vom Baustil her anders als die Höfe hier in der Gegend. Verputzte Wände mit dicken Sandsteinblöcken um die Fenster und an den Hausecken. Dunkelgraue Dächer mit Schieferplatten.
Von hier aus konnte er alles gut überblicken. Der größte Teil der beinahe L-förmig angeordneten Gebäude wurde von einer großen Scheune verdeckt, die
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