Verstoßen: Thriller (German Edition)
einfach weiterbrennen. So lang die Lunte auch sein mochte und so schnell man auch rannte, im Zickzack und mit Sprüngen, irgendwann kam doch unwiderruflich der Augenblick, da das letzte Ende durchbrannte und man die tödliche Rechnung der eigenen Nachlässigkeit präsentiert bekam.
Brennende Lunten gehörten ausgetreten, auch wenn sie nur vor sich hin schmorten.
Spuren gehörten verwischt.
Er beschloss, sich darauf zu konzentrieren. Nicht zu weit vorausdenken.
First things first .
Er warf einen Blick auf seine Seiko. Es war Viertel vor sechs am Morgen. Den Hof, von dem Thierry gesprochen hatte, konnten sie noch vor neun Uhr erreichen. Aber erst musste hier aufgeräumt werden.
Wenn Sven fertig war, würde er das Bad wischen. Alles so gut wie möglich sauber machen. In einer der Bodenfliesen befand sich jetzt wohl ein Einschussloch.
Darum konnte er sich später kümmern.
Er ging in die Küche, um nach Chlorreiniger und einem Aufwischtuch zu suchen. Die Magenschmerzen versuchte er zu ignorieren.
21
Sie waren gut zweieinhalb Stunden gefahren, im frühen Morgenlicht, durch eine hügelige Landschaft mit wogenden Kornfeldern. Dazwischen Laubwälder und weite Ebenen verblühter Sonnenblumen, die ihre welken Köpfe hängen ließen.
Maier sah nichts als dunkelgrüne und beigefarbene Flächen, über denen eine bedrohlich graue Wolkendecke hing.
Thierry lag mit Kabelbindern gefesselt und zusammengerollt im Kofferraum seines eigenen Mercedes und durchlebte vermutlich die furchterregendste und unbequemste Autofahrt seines bedenkenswert kurzen Lebens.
Vor einer halben Stunde hatte Maier angehalten und den Kofferraum geöffnet. Einerseits weil er nicht sicher war, ob Thierry genug Luft bekam. Andererseits um noch ein paar Informationen aus ihm herauszuholen.
Schweißnass und mit einem fachmännisch verbundenen Fuß, auf den jeder Labrador Retriever stolz gewesen wäre, hatte er Sven in verstottertem Französisch noch einmal genau erklärt, wo sie hinmussten. Was sie dort möglicherweise erwartete, wie die Sicherheitsvorrichtungen aussahen – angeblich gab es keine – und wie eventuell anwesende Personen bewaffnet waren. Dann hatten sie den Kofferraum wieder zugesperrt und waren weitergefahren.
Maier schaute in den Rückspiegel. Sven folgte ihnen mit dem schwarzen Laguna in knapp dreißig Metern Abstand.
Ziel ihrer Reise war das Dorf Sainte-Maure de Touraine, ein in hügeliger Umgebung gelegenes Viertausend-Seelen-Nest.
Gerade war Maier an dem rot umrandeten Ortsschild vorbeigefahren. Das Dorf, das aus eng aneinandergebauten Häusern mit verputzten Fassaden und hölzernen Fensterläden mit Lamellen bestand, wurde in fast gerader Linie von der Straße durchschnitten. Es gab ein kleines Restaurant und ein Dorfhotel, und ein großes Schild verwies auf den wenige hundert Meter von der Zufahrtsstraße entfernten INTERMARCHÉ-Supermarkt. Zu dieser frühen Stunde waren nur wenige Menschen auf den Beinen.
Im nächsten Augenblick fuhr Maier schon wieder aus dem Dorf heraus. Die von Thierry erwähnte Erkennungsmarke, eine Vogelscheuche, war nicht zu übersehen gewesen: eine schätzungsweise acht Meter hohe Puppe aus Strohballen und -rollen, zusammengehalten von schwarzen Plastikplanen und Seilen. Auf einem weißen Spanntuch war mit schwarzer Farbe irgendein landwirtschaftliches Spektakel gegen Ende des Monats angekündigt. Von einem Kornfeld zu seiner Linken aus grinste die einsame Puppe ihn an.
Hier war es also. Gleich musste er links abbiegen. Sie waren nahe dran. Maier spürte, wie seine innere Anspannung wuchs.
Eigentlich war er es gewohnt, solche Aktionen gut vorzubereiten. Fast wie besessen gut vorzubereiten. Er hatte immer dafür gesorgt, dass er über die Zielpersonen mehr, viel mehr wusste, als streng genommen nötig war. Diesmal wusste er faktisch gar nichts. Bloß das, was Thierry ihm erzählt hatte: dass die Straße bei einem Bauernhof enden würde, wo sich zwei Männer aufhielten, einer etwa fünfunddreißig, der andere etwa vierzig Jahre alt, beide mit Faustfeuerwaffen. Der ältere der beiden fuhr einen Renault 21. Der andere einen weißen Kleintransporter, dessen Marke Thierry nicht wusste.
Maier spähte in die Ferne, in der Hoffnung, einen Blick auf den Hof zu erhaschen, aber das hügelige Kornfeld versperrte ihm die Sicht. Er bremste und bog links ab. Sven folgte ihm in
kurzem Abstand. Die asphaltierte Straße machte eine kleine Kurve und stieg dann leicht an. Auf dem höchsten Punkt wurde sie schmaler,
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