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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Feierlichkeiten. Anzeigen hatte sie auch nicht verschickt. Es hatte ihr die Kraft dafür gefehlt. Im Grunde hatte sie mehr oder weniger den Kopf in den Sand gesteckt. So fühlte sich ihr Kopf auch an. Aber um die ganzen Scherereien mit dem Haus kam sie trotzdem nicht herum. Um die Erbschaft.
    Eine Hypothek lastete nicht mehr auf dem Haus. Ihr Vater hatte es schon schuldenfrei von seinen Eltern übernommen. Rijkswaterstaat, eine Dienststelle des Verkehrsministeriums, war bereit, für das große frei stehende Haus und die eintausenddreihundert Quadratmeter Grundbesitz eine beträchtliche Summe zu zahlen. Obwohl es auf dem freien Markt, wenn es denn in besserem Zustand gewesen wäre, wahrscheinlich noch einmal die Hälfte mehr eingebracht hätte. Wenn man es gründlich renovieren würde, stünde es einer prestigeträchtigen Anwaltskanzlei nicht schlecht zu Gesicht.
    Der Beamte, mit dem sie am Nachmittag gesprochen hatte,
war bemüht gewesen, sich seine Freude und Erleichterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Schließlich war jemand gestorben.
    Neunhunderttausend Euro. Davon beanspruchte der Staat etwa zwanzig Prozent – eine Form legalen Diebstahls, bekannt unter der Bezeichnung Erbschaftssteuer. Von dem, was übrig blieb, stand die eine Hälfte ihr, die andere Hälfte Sabine zu. Die würde ihr Glück nicht fassen können.
    Aber die Euphorie, die andere empfunden hätten, wenn ihnen ein Vermögen in den Schoß gefallen wäre, empfand Susan derzeit nicht. Sie fühlte sich alles andere als gut.
    Die letzten Worte ihres Vaters ließen sie nicht mehr los. Vielleicht hatte er nur deliriert, und sie maß der Sache zu viel Bedeutung zu. Es tat ihm leid, hatte er gesagt. Und es hatte mit ihrer Mutter zu tun. Was konnte er damit bloß gemeint haben?
    Nur zu gern hätte sie die Erbschaft gegen dieses Wissen eingetauscht.
    »Danke, Papa«, sagte sie laut in den Raum hinein, »jetzt kann ich für den Rest meines Lebens darüber nachgrübeln.«
    Wenn sie überhaupt mit irgendjemandem darüber sprechen wollte, dann mit Sil. In den letzten Tagen hatte sie den Impuls ihn anzurufen mehr als einmal unterdrückt, weil ihr jedes Mal, wenn sie den Hörer in die Hand nahm, vor Augen stand, wie Sil und Sven sich vor einer Bande bewaffneter Gruseltypen versteckt hielten und aus Sils Nokia plötzlich eine elektronische Fassung von Nothing else matters ertönte. Eigentlich wusste sie natürlich, dass Sil viel zu professionell war, um in einer solchen Situation sein Handy eingeschaltet zu haben. Ein wie auch immer gearteter Anruf würde ihn derzeit nur ablenken.
    Sie klappte das Buch zu und zog die Knie an. Starrte das vergrößerte Foto vom Strand in Hurghada an, das über dem Sekretär hing. Kämpfte gegen das Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Weinerlichkeit an, das in Schüben wiederkehrte.
    Sil war weg. Womöglich sah sie ihn nie wieder.
    Sie hatte immer gewusst, dass er eines Tages fortgehen würde. Nicht, weil sie ihm nichts bedeutete oder er sie nicht liebte, wie er es ausdrückte. Sie war überzeugt, dass er das auch wirklich glaubte. So stark glaubte, dass er sogar für sie sorgen wollte – einer der wenigen konservativen Züge, die sie an ihm entdeckt hatte. Und dennoch hatte sie stets die unterschwellige Angst gehabt, dass er eines Tages – wie ein Jagdhund, der bei einem Waldspaziergang das Wild roch – von den gebahnten Wegen abkommen und unterwegs sein Zuhause vergessen würde. Blind seinen Instinkten folgen und schließlich nur noch Augen für die Fährte haben würde, die immer frischer und stärker, verführerischer und kräftiger wurde, bis die unvermeidliche Konfrontation folgte.
    Seek and destroy .
    Und es war immer denkbar, dass die Beute sich nicht wie eine Beute benahm. Schneller war, schlauer. Tödlicher. Sodass sie in den Tagen und Wochen, nachdem die ängstliche Vermutung zur Gewissheit geworden wäre, nur noch vermuten konnte, wo seine letzte Konfrontation stattgefunden hatte: in einem gottvergessenen Winkel des Rotterdamer Hafens, einem verdreckten Hinterzimmer in einer Kneipe an der belgischen Küste.
    Oder irgendwo in Paris.
    Die Tränenschleier ließen das Zimmer verschwimmen. Wütend wischte sie sich die Augen und schnaubte in ein Küchenpapier. Saß dann apathisch da und starrte vor sich hin.
    Sie war durch die halbe Welt gereist. Hatte sich eine Wohnung gekauft. Eine Existenz aufgebaut. Sinnvolle Dinge getan. Das Leben in vollen Zügen genossen, Tag für Tag.
    Oder etwa nicht?
    Dass die Leute in

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