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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Stängel tickten gegen die Windschutzscheibe und schleiften über den Lack.
    Angeblich lebte ihre Mutter westlich des Weilers Llanfrynach. Auf den Straßenschildern, die an Kreuzungen die Entfernungen in Meilen angaben, hatte sie den Ortsnamen noch nicht entdeckt. Auf der detaillierten Karte von Großbritannien, die sie irgendwann einmal von einem englischen Lastwagenfahrer geschenkt bekommen hatte, war das Dorf aber durchaus verzeichnet.
    Sie fuhr weiter. Die Sträucher am Straßenrand verschwanden und gaben den Blick auf enorme Hügel frei. Die runden Kuppen boten sich den Blicken in allen denkbaren Grau-, Grün- und Violettschattierungen dar. Auf den Kämmen waren kleine ausgefaserte Tupfer in schmutzigem Weiß zu erkennen. Offensichtlich Schafe. Die weiter entfernten Gipfel lagen hinter undurchsichtigen Wolkenbänken verborgen. Jeden Augenblick konnte es zu regnen anfangen. Susan zitterte und stellte die Heizung an. Gestern, in den Niederlanden, war es noch dreißig Grad warm gewesen. Hier in Wales waren es höchstens vierzehn bis fünfzehn Grad.
    Die schmale asphaltierte Straße führte über einen unter Strom stehenden Wildrost, ein cattle grid . Nun geriet sie also in eine Gegend, wo Ponys und Schafe frei herumliefen. Pferden begegnete sie nicht, wohl aber Schafen, die für den Sommer geschoren und an den Flanken rot und grün markiert waren. Sie liefen vor dem Auto weg, blieben im Schutz der Böschung stehen und schauten Susan lange nach, kauend und mit wackelnden Schwänzen.
    Die Schafe waren nicht die einzigen Lebewesen in diesem hügeligen, abgegrasten Gebiet. Es wurde anscheinend als militärisches Übungsgelände genutzt. Ein Warnschild ermahnte die Reisenden, dass sie, falls eine rote Fahne gehisst sei, nicht von der Straße abkommen sollten. Als Susan nach oben blickte, sah sie in luftiger Höhe tatsächlich eine solche am Mast flattern. Dies und der dunkelgrau bewölkte Himmel kam ihr wie ein schlechtes Omen vor. Ein paar Kilometer weiter stiegen dunkle Rauchwolken auf.
    Ob es durch die Fahne kam, den Rauch oder das Wissen, dass sie dem Haus ihrer Mutter immer näher kam – jedenfalls wurde Susan zunehmend nervös. Eine sonderbare Art von Unsicherheit, eine Mischung aus Aufregung und Angst. Sie hatte ihre Mutter zwanzig Jahre lang nicht gesehen.
    Würde sie sie wiedererkennen? Sie wiedererkennen wollen?
    Sie stellte das Radio an und drehte so lange am Sendersuchknopf, bis sie die melancholischen Gitarrenklänge von U2 hörte. Einen besseren musikalischen Rahmen als The unforgettable fire konnte man sich für diese Landschaft wahrlich nicht denken, jedenfalls, solange man nicht auf den Text achtete. Das tat sie nicht.
    Nach ein paar Kilometern überquerte sie einen weiteren Wildrost und ließ damit das offene Gelände hinter sich. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Bei der nächsten Einbuchtung hielt sie an und spähte durch die dreckige Windschutzscheibe
des Vitara nach draußen. Rechts von der kleinen Straße stand ein weißes Hinweisschild. »B&B«.
    Hier war es.
    Als sie das Radio ausschaltete, merkte sie, dass ihre Hände feucht waren. Sie legte den ersten Gang ein. Gehorsam holperte der kleine Geländewagen die ungepflasterte Zufahrt hinauf, die leicht anstieg und oben eine Biegung nach links machte. Hinter einer Reihe von Bäumen zeichnete sich ein Gebäude ab. Ein traditionelles walisisches Haus aus grauen, unregelmäßigen Steinen mit grauem Dach und weißen Fenstern. Auch hier standen Blumenkübel und -töpfe auf dem Hof: rosa, violett, lila. Rechts vom Haus gab es eine Art Schuppen mit Türen und kleinen Fenstern, halb verborgen in einem kleinen Waldstück, in der Verlängerung der Zufahrt. Noch mehr Töpfe, noch mehr Blumen. Sanft schaukelte eine Gartenbank an ihren Metallketten im Wind. Dies musste das Bed & Breakfast sein. Trotz der Ferienzeit standen keine Autos auf dem Hof.
    Der lag wie ausgestorben da.
    Susan zog den Zündschlüssel ab und stieg aus. Links vom Haus fing hinter einem weißen Holzzaun ein schwarz-weißer Border Collie an zu bellen. Sie sah sich um. Links vom Zaun, auf gleicher Höhe mit dem Haus, befand sich eine offene Scheune mit grünem Spundwandprofil. Auch dort kein Mensch.
    Sie ging auf das Haus zu.
    Der Hund bellte und wütete in einem fort. Hüpfte auf und ab wie ein Pingpongball. Mit Schaum vor dem Maul.
    Susan unterdrückte ein Schaudern. Vor der Haustür war eine kleine Stufe. Ihre Blicke wanderten über den Türrahmen. Keine Klingel. Neben der Tür eine

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