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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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ausflippt und doch noch zum nächsten Polizeirevier läuft, um da ihr Herz auszuschütten.«

36
    Susan war auf der M20 unterwegs, etwa zwanzig Kilometer vor London. In den vier Jahren, die sie nicht mehr auf der Insel gewesen war, hatte sie völlig vergessen, wie sehr die Briten sich in ihrer Mentalität von den Menschen auf dem europäischen Festland unterschieden. In den zahlreichen Fernsehserien schienen die Briten – von ihrer Selbstironie abgesehen – ganz normale Europäer zu sein. Doch das täuschte.
    Vor einiger Zeit hatte sie eine Untersuchung gelesen, die besagte, achtzig Prozent der britischen Frauen würden lieber ihren Mann als ihren Hund vor die Tür setzen. Sie meinte, bei ihren früheren Besuchen auch begriffen zu haben, warum. Die Männer hatten in der Regel eine Schwäche für das Pub um die Ecke, wo sie über »die Alte zu Hause« ihre Witze rissen.
    Es war nicht die einzige Eigenart der Briten. Linksverkehr, andere Währung, andere Steckdosen mit anderer Voltzahl, Meilen statt Kilometer. Die Briten schienen jede Gelegenheit wahrzunehmen, sich vom restlichen Europa zu distanzieren. Das hatte Susan auch früher schon bemerkt, aber wieder vergessen. Es fiel ihr alles wieder ein, als ein laut hupender Vauxhall – im sonstigen Europa hieß die Marke Opel – sie fast von der Straße abgedrängt hätte.
    Sie massierte sich die Schläfen. Ein Pochen im Kopf, bleischwere Lider und ein Gefühl, als wollte sich ihr der Magen umdrehen. Sie brauchte dringend einen Kaffee.
    Schließlich bot sich die Möglichkeit, von der Autobahn abzufahren. Vieles hatten die Briten auch ganz prima geregelt.
Beispielsweise gab es für Autobahnreisende praktische, große Einkaufszentren, wo man übernachten konnte, einkaufen, zocken und tanken. Susan ging in eine überdachte Shopping Mall, zog Bargeld aus einem Automaten und stellte sich bei Costa, einer Coffee-to-go-Kette, in eine lange Schlange. Den Kaffee bekam man in Plastikbechern mit Deckel, weil die meisten Kunden ihn im Auto trinken wollten – das kannte sie aus den USA. Die Becher waren riesig. In die kleinste Größe passte immer noch genügend schwarze Brühe, um zwanzig Wüstenratten zu ertränken. Sie entschied sich für Cappuccino und nahm einen gezuckerten Donut aus einem kleinen Korb an der Kasse. Mehr bekam sie wahrscheinlich doch nicht herunter. Ihr Magen rebellierte, weil sie so nervös war und so wenig geschlafen hatte.
    Während sie gegen den Strom von Müttern mit Kinderwagen und Anzugträgern zum Ausgang ging, fing ihr Nokia zu vibrieren an. Beim Versuch, das Handy möglichst schnell aus der Jackentasche herauszufischen, hätte sie um ein Haar den Kaffeebecher fallen gelassen.
    »Susan?«
    Der Becher fiel auf das Pflaster.
    »Sil?«
    »Wie geht’s deinem Vater?«
    »Er ist tot.«
    Kurz blieb es still. »Also doch.«
    »Ja. Ich war dabei.« Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er nicht näher darauf eingehen wollte. Nicht am Telefon. Also fragte sie: »Wo bist du?«
    »In Paris.«
    »Und was ist mit Thomas?«
    » Sven und Thomas sind hier bei mir. Wir brechen gleich auf. In etwa fünf Stunden bin ich bei dir.«
    »Ich bin gar nicht zu Hause. Ich bin in England.«
    Kurz blieb es still. »Ein Foto-Auftrag?«
    »Nein, äh …«
    Ein älterer Mann starrte im Vorbeigehen demonstrativ auf den Kaffeebecher vor Susans Füßen und warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
    »Ich war mit Reno zum Aufräumen in dem Haus von meinem Vater, und …« Ihr stockte der Atem. Erst jetzt fiel ihr das sonderbare Loch wieder ein, das sie im Garten ihres Elternhauses gefunden hatte. Damit hatte alles angefangen. Das war ihr ganz entfallen. »Ich musste plötzlich an zwei alte Freunde von meinem Vater denken«, fuhr sie fort, »die nach dem Tod meiner Mutter wie vom Erdboden verschluckt waren. Einen der beiden habe ich aufgespürt. Letzte Nacht hab ich bei ihm geklingelt, und …«
    »Letzte Nacht?«
    Sie ging darüber hinweg. »… und er hat gesagt, dass meine Mutter noch lebt. Ich musste ihn ein bisschen drängen, aber schließlich hat er mir ihre Adresse gegeben. Sie lebt angeblich in Wales. Ich bin sofort weitergefahren, ich hätte sonst doch kein Auge zugetan. Jetzt bin ich kurz hinter London.«
    »Hat er dir erzählt, warum?«
    »Nein, das sollte ich sie selbst fragen. Es kommt mir alles ganz unwirklich vor.«
    »Ich wünschte, ich könnte bei dir sein.«
    »Aber das geht nicht?«
    Kurz blieb es still. »Nicht so einfach«, sagte er schließlich und schien

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