Verstrickung des Herzens
Gelächter aus der Halle. Die meisten Partygäste waren Freunde, die er seit Jahren kannte. In diesen Kreisen hatte er seine Ausbildung genossen. Und er war in Charleston, in dem Haus, das der Großvater seines Bruders bewohnt hatte, willkommen gewesen. Weil er von einem weißen Vater abstammte, ignorierten viele Amerikaner sein Indianerblut. Sein Mitgefühl galt deshalb vielen Weißen, die unter dem Krieg litten. Schaudernd dachte er an eine der jungen Witwen. Sie hatte ihren Mann sterben und ihr Farmhaus brennen sehen. Und dann war sie skalpiert worden. Um zu überleben, hatte sie sich totgestellt und später erzählt, die Seminolen seien schreiend und triumphierend vor den Flammen umhergesprungen.
Auch James hatte grausige Kampfszenen beobachtet. Erst letztes Jahr hatte Andy Jackson, damals noch Präsident, dem Gouverneur von Florida, Richard Keith Call, das Kommando der U.S. Army übertragen. Zielstrebig rückte Call mit seinen Truppen in den Sumpf vor. Obwohl viele Männer dem Fieber zum Opfer fielen, ent-
schloß er sich am Withlaoochee River zu einer Großoffensive gegen die Indianer. Als erster versuchte Major David Moniac den Fluß zu überqueren, aber eine Seminolenkugel warf ihn ins Wasser. Danach wagte sich niemand mehr in die dunklen Wellen. Absurderweise war der Major ein Vollblut-Creek gewesen, ein Absolvent der U.S.-Militärakademie. Die Weißen wollten die Seminolen veranlassen, nach Westen zu gehen und sich ihren entfernten Verwandten anzuschließen, den Creek. Aber im Kampf gegen die Seminolen setzten sie Creek-Soldaten ein. Eine bittere Ironie . ..
An jenem Tag hatte James auf seiten der Seminolen gekämpft, um die Unschuldigen hinter der Front zu schützen. Verzweifelt feuerte er sein Gewehr ab, von der ständigen Angst gequält, er könnte einem weißen Soldaten begegnen, den er kannte, mit dem er Wihskey oder Wein getrunken, diskutiert oder gepokert hatte.
Zwischen zwei Welten gefangen, gehorchte er seinen eigenen moralischen Gesetzen. Wenn die Weißen angriffen, würde er die Seminolen verteidigen. Er hatte keine Wahl. Aber er würde sich niemals an Plünderungen beteiligen, niemals einen Krieg gegen Frauen und Kinder führen. So wie er dachten zahlreiche Indianer, auch Osceola, obwohl er als Kriegerhäuptling oft genug wegschaute, wenn seine Leute unschuldige Menschen niedermetzelten.
James wußte, daß es unter den Weißen ebenso viele anständige Männer gab, die Frauen und Kinder schonten — trotz zahlloser Greueltaten, von Kommandanten wie Michael Warren begangen.
Allein schon der Gedanke an diesen Namen beschleunigte James' Herzschläge immer wieder — auch an diesem Abend, an dem er auf dem Geländer der Veranda von Cimarron saß. Und wie so oft dankte er dem Schicksal, weil Naomi und seine kleine Tochter Sara nicht durch die Hände weißer Soldaten, sondern am Fieber gestorben waren. Nicht durch die Hände eines brutalen Schurken wie Warren ermordet ...
Plötzlich öffnete er die Augen. Im Haus erklang das Gelächter einer Frau. Sie war hier, die Tochter dieses Mannes.
Als sie in die Halle herangekommen war, hatte er den Atem angehalten. Welch eine Schönheit — ein elfenbeinweißes, ebenmäßiges Gesicht, Haare wie tanzende dunkle Flammen und Augen, die ihn an einen schattigen Wald im Regen erinnerten ... Sie stand am Fuß der Treppe, groß und schlank. Provozierend wölbte sich der Busenansatz im Dekollete des grünen Samtkleids. Ich begehre sie, war James' erster Gedanke. Er wollte ihr Haar berühren und sehen, ob er sich verbrennen würde, die Alabasterwange streicheln und herausfinden, ob sie sich wie Seide anfühlte. Am liebsten hätte er sie vom Treppenpfosten weggezerrt, um ihr Samt und Satin und Spitzen vom Leib zu reißen. War die Leidenschaft echt, die in ihr zu brennen schien? Würde sie seinen Schmerz und den Zorn und den Haß verdrängen können, das ganze Chaos, in das sich seine Welt verwandelt hatte?
Augenblicke des Wahnsinns, des Hungers ...
Doch dann kehrte sein Verstand zurück. Neugierig musterte sie ihn. Nur ein weiteres hübsches Mädchen, das von seiner exotischen äußeren Erscheinung fasziniert war. Und doch — sie unterschied sich von den anderen. Sie kokettierte nicht, wirkte aufrichtig, klug und mutig. Während er mit ihr tanzte, kehrte die anfängliche Faszination zurück.
Dann hatte er ihren Namen gehört... Seine Hände bebten, wilder Zorn trübte seinen Blick. Hinter ihrer Schönheit glaubte er zertrümmerte Kinderköpfe zu sehen,
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