Verstrickung des Herzens
Deutlich konnte sie durch die Wellen den Grund sehen. James erklärte ihr, der Fluß würde von unterirdischen Quellen gespeist. Zunächst blieb sie in seiner Nähe, dann schwamm sie davon, genoß die Kälte der Strömung und die Sonnenwärme. Nie zuvor hatte sie ein so köstliches Gefühl der Freiheit verspürt — trotz ihrer Gefangenschaft.
An diese süße, natürliche Freiheit gewöhnt, hatte James bald keine Lust mehr zu baden. »Komm heraus!«
»Nein!« rief sie und tauchte unter. Vor lauter Schreck schluckte sie Wasser, als plötzlich ihr Fuß gepackt wurde, und schlug verzweifelt um sich.
Aber es war kein bedrohliches Tier, sondern James, der sie an die Oberfläche zog. »Ich habe gesagt, du sollst rauskommen.« »Und ich möchte noch drinbleiben«, erwiderte sie und trat Wasser.
»Vergiß nicht, daß du meine Gefangene bist.«
»Eine Gefangene muß doch versuchen, die Flucht zu ergreifen.«
»Auch wenn's gefährlich ist?«
»Versuchst du mir angst zu machen?«
»Schau mal runter.«
Sie spähte in die Tiefe, sah zwei dunkle Schemen dahingleiten und warf sich schreiend auf James. Was ihr das nützen sollte, wußte sie selber nicht, denn er trat ebenfalls Wasser. Durch den heftigen Zusammenstoß wurden beide nach unten gerissen, in die Nähe der monströsen Tiere.
Prustend tauchte sie auf, in James' Armen, und starrte in sein lachendes Gesicht.
Wenn er lachte, war die Welt in Ordnung. Nichts konnte ihr zustoßen. Es gab ohnehin keine Gefahren, die schlimmer waren als der unselige Krieg.
»Hast du solche Tiere noch nie gesehen?« fragte er.
»Nein. Warum schwimmen wir nicht zum Ufer? Stört's dich gar nicht, daß sie ...«
»Hat Tara dir nichts von ihren geliebten Seekühen erzählt? Das sind sanftmütige Säugetiere, wie die Delphine.«
»Aber verdammt häßliche Biester!«
»Obwohl sie nicht besonders hübsch aussehen, mußt du dich nicht vor ihnen fürchten. Sie sind keine Fleischfresser. Und sie würden niemals einen Menschen angreifen.«
Immer noch an seinen Hals geklammert, schaute sie wieder hinunter und beobachtete die beiden Tiere, offenbar eine Mutter und ihr Junges. Trotz der schwerfälligen Leiber bewegten sie sich mühelos und anmutig. Die Mutter war fast drei Meter lang und grau gefleckt, das Baby ungefähr halb so groß und etwas heller.
»Seltsam ...«
»Was?«
»Daß es so schwierig ist, der äußeren Erscheinung zu entnehmen, was man fürchten muß — und wem man trauen darf.«
»Fürchte alles — und traue niemandem«, warnte er sie.
»Und trotzdem traust du deinem Bruder.«
»Weil mein Blut in seinen Adern fließt.«
»Das Blut eines weißen Mannes.«
»Teela ...«
»Du darfst dich glücklich schätzen.«
»Warum?«
»Weil du nicht nur dein Blut, sondern ganz besondere Gefühle mit Jarrett teilst. In meinem Leben gibt es niemanden, dem ich so nahe stehe. Meinen Vater liebte ich, und er starb vor vielen Jahren. Auch meine geliebte Mutter habe ich verloren. Und nun bin ich Michael Warrens Mündel.«
Inzwischen war er mit ihr zu einer seichten Stelle geschwommen, wo sie stehen konnten. Er hielt sie immer noch im Arm und strich ihr das nasse Haar aus dem Gesicht. »Vielleicht weißt du gar nicht, wie schnell du in dieser Wildnis Freunde gefunden hast?«
»Freunde?«
»Jarrett und Tara lieben dich, Robert Trent, der junge Harrington und Joshua Brandeis würden für dich durchs Feuer gehen. Wobei sich die drei Letztgenannten viel mehr wünschen als deine Freundschaft. Es sei denn ...«
»Willst du mir vorwerfen, ich würde Johns Gefühle erwidern?«
»Vorwerfen? Ich habe dir doch geraten, ihn zu heiraten.«
Als sie sich erbost losreißen wollte, preßte er sie fest an seine Brust. »Hör mir jetzt gut zu, Teela. Glaubst du, ich würde mich nicht Tag und Nacht nach dir sehnen und von dir träumen? Am liebsten würde ich jeden Mann umbringen, mit dem ich dich tanzen und lachen sehe. Diese Eifersucht bricht mir fast das Herz. Und trotzdem sage ich — ja, du solltest Harrington heiraten, weil ich dir ein glückliches Leben in Ruhe und Frieden wünsche. Manchmal bin ich so verbittert, und ich bedaure zutiefst, daß ich nicht für immer in der Welt des weißen Mannes wohnen und meinem Volk den Rücken kehren kann. Aber die Seminolen, ihr Leid und ihr Hunger sind meine Welt. In deiner tanzt man, in meiner läuft man ständig davon. Meine Welt ist die rauhe Erde, deine ein weiches Federbett. Ohne deine Welt kannst du nicht überleben. Und ich muß ohne sie
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