Verstrickung des Herzens
den Jahren war ihm Wild Orchid lieb und teuer gewesen, ebenso wie seine zweite Frau, Morning Dew. Und nun durfte er James McKenzie nicht mißgönnen, was er selbst in so reichem Maße genossen hatte. Schon gar nicht, nachdem ich die rothaarige Schönheit gesehen habe, dachte er belustigt.
»Laß ihn noch einmal die Sonne sinken sehen, Otter, und den Morgentau auf der Haut spüren.«
»Osceola, du vergißt, was geschehen ist. Wir brauchen ihn. Sofort ...«
»Eine Nacht mehr oder weniger wird die Kriegsereignisse und den Lauf der Geschichte nicht ändern. Morgen will ich nach ihm schicken.«
Bevor die Welt zusammenbrach, sollte James McKenzie sein Paradies noch ein wenig genießen.
General Thomas Sidney Jesup saß an seinem Schreibtisch und studierte noch einmal die Order des Heeresministers Joel Poinsett. Bedrückt schloß er die Augen und verfluchte seinen Kriegsdienst in Florida, sogar das gesamte Militär.
Wenn sie in Washington doch endlich von ihren hohen Rössern herunterkämen, dachte er wütend. Beharrlich ignorierten sie seine Bitte, die Seminolen in Ruhe zu lassen und ihnen ihr armseliges Leben im Niemandsland der südlichen Halbinsel zu gönnen, im elenden, von Moskitos bevölkerten Sumpf.
Verzweifelt strich er mit allen Fingern durch sein weißes Haar. In den Sümpfen, wo die Indianer wie Gespenster zu verschwinden pflegten, konnte dieser Krieg nicht gewonnen werden. Aber er hatte keine Wahl — er mußte die Seminolen ausrotten. Bevor im Juni fast siebenhundert Krieger aus dem Gefängnis in Tampa geflohen waren, hatte er geglaubt, der Widerstand wäre gebrochen, der Krieg beendet. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Nein, die Indianer verdienten keine Fairneß. Sie waren niederträchtig und tückisch. Deshalb mußte man keine Gewissensqualen erleiden, wenn man sie hinterging. Jesup begann die Order an General Hernandez zu schreiben. Als seine Hand plötzlich zitterte, legte er die Feder beiseite.
Doch die Finger bebten immer noch, und ein kalter Schauer rann über seinen Rücken.
An diesem Morgen hatte Teela eigenhändig ihren ersten Fisch gefangen, und sie war sehr stolz darauf. Sie briet ihn über dem offenen Feuer, und sie aßen ihn mit Nüssen und Beeren. Später schwammen sie im Fluß. Teela fürchtete sich nicht mehr vor unheimlichen Tieren. Immer wieder tauchte sie in die Tiefe, und es gelang ihr sogar, James' Fuß zu packen und ihn nach unten zu ziehen.
Ehe er sie einholen und sich rächen konnte, schwamm sie zum Ufer, kletterte lachend und kreischend die Böschung hinauf und rannte davon. Im Wasser konnte sie ihm vielleicht entrinnen, an Land war sie seinen schnellen Beinen nicht gewachsen. Aber als er ihr folgte, hielt er plötzlich den Atem an. Wie erstarrt blieb er stehen und schaute an ihr vorbei zum Waldrand.
Dort saß ein schwarzer Reiter auf einer mageren grauen Stute. Osceolas alter Diener Riley war gekommen, um Running Bear zu holen. Nun gingen die schönen Tage im einsamen Paradies, an das James sich so verzweifelt geklammert hatte, zu Ende. Allein schon Rileys Ankunft wies auf Schwierigkeiten hin. Normalerweise hätte Wildcat ihn aufgesucht.
Herausfordernd blickte Teela über die Schulter. Dann schaute sie wieder nach vorn und schrie entsetzt auf. Beinahe wäre sie mit Riley zusammengestoßen, der inzwischen vom Pferd gestiegen war. James folgte ihr, während sie zitternd zurückwich, und nahm ihren nackten Körper in seine Arme.
Kein Wunder, daß sie erschrocken war ... Der dunkelhäutige Mischling bot einen furchterregenden Anblick. Zu dunklen Lederhosen trug er ein schlichtes weißes Hemd. Aber auf seinem Kopf saß ein bunter Turban mit Reiherfedern, ein Geschenk Osceolas an den getreuen Diener, und mit diesem Kopfputz war er über zwei Meter groß.
»Schon gut, Teela«, sagte James beschwichtigend. »Das ist Riley, ein Freund, und du mußt dich nicht vor ihm fürchten.«
»Aber — ich bin nackt.«
»Hast du was, das Miss Warren anziehen könnte, Riley?« fragte James.
Ernsthaft nickte der alte Mann und warf ihm einen Ranzen zu, den James öffnete. Hastig trat Teela hinter seinen Rücken, und er gab ihr einen weiten, mit Indigo gefärbten Rock und eine bunte Bluse.
»Kaffee, Riley?« lud James den alten Mann ein. Für ihn hatte Riley offenbar keine Kleidung mitgebracht. Seine Breeches lagen neben dem umgestürzten Zypressenstamm.
»Ja, das wäre nett, James.« Riley beherrschte die Muskogee- und die Hitichi-Sprache, aber mit James sprach er stets
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