Versuchung Pur
Quader aus einem Steinbruch aus der Gegend stammten. Aber sie konnte sehen, dass es ein wahrhaft stattliches Haus war, würdevoll und wunderschön in der Witterung gealtert. Auf den ersten Blick schien es nur grau zu sein, doch bei genauerem Betrachten sah man, wie die verschiedensten Farben auffunkelten: Bernstein, ein rötliches Braun, Umbra und hier und da ein Hauch Grün. Die Sonne hatte noch genug Kraft, um die Quarzsplitter glitzern zu lassen. Es gab drei Stockwerke, das oberste wurde von einem breiten Balkon umrundet. Eden nahm das Rot von Geranien und das kräftige Gelb von Tagetes wahr, die üppig in Balkonkästen wuchsen, und sie roch den Lavendel bereits, bevor sie den Steingarten sah.
Eine breite geschwungene Steintreppe, die Stufen in der Mitte unmerklich ausgetreten, führte hinauf zu einer gläsernen Flügeltür. In einem alten Holzfass neben der Eingangstür nickten in der Abendbrise Gänseblümchen dem Ankömmling huldvoll zu.
Es war nicht das, was sie erwartet hatte, und doch … alles an dem Haus erkannte sie wieder.
Dass er so nervös war, verdutzte Chase. Eden sagte kein Wort, als er den Wagen abbremste. Sagte immer noch nichts, als er um die Kühlerhaube herumkam und die Beifahrertür für sie öffnete. Es war ihm wichtig, mehr, als er je geahnt hätte, was sie denken, was sie fühlen, was sie über sein Heim sagen mochte.
Sie legte ihre Hand in seine, und er wusste, es war eine eher automatische Geste, eine Gewohnheit. Dann stand sie neben ihm und sah sich an, was das Seine war seit seiner Geburt. Die Anspannung schnürte ihm die Kehle zu.
»Oh Chase, es ist wunderschön!« Sie hob die freie Hand und beschattete ihre Augen gegen die Sonne, die hinter dem Haus stand. »Kein Wunder, dass du dein Heim so sehr liebst.«
»Mein Urgroßvater hat es gebaut.« Die Anspannung verflog von einer Sekunde auf die andere, ohne dass er sich dessen bewusst geworden wäre. »Er hat sogar mitgeholfen, die Steine zu hauen. Er wollte etwas erschaffen, das Bestand haben und immer einen Teil von ihm in sich tragen sollte, solange es existiert.«
Eden dachte an das Heim, in dem Generation um Generation ihrer Familie gelebt hatte. Das altbekannte Gefühl wallte auf, brannte hinter ihren Augen. Das Heim, das sie verloren hatte. Verkauft hatte. Der Drang, Chase davon zu erzählen, wurde nahezu übermächtig. Sie wusste, er würde es verstehen.
Er konnte ihren Stimmungswandel spüren, noch bevor er sie ansah und das feuchte Schimmern von Tränen in ihren Augen entdeckte. »Was ist denn, Eden?«
»Nichts.« Nein, sie konnte ihm nichts davon sagen. Manche Wunden versteckte man besser, ließ andere nichts davon wissen. »Ich musste nur daran denken, wie wichtig Tradition ist.«
»Du vermisst deinen Vater noch immer.«
»Ja.« Die Tränen waren heruntergeschluckt, der Moment vorbei. »Ich würde es mir gern von innen ansehen.«
Chase zögerte den Bruchteil einer Sekunde. Er wusste, dass da noch mehr gewesen war, dass sie kurz davor gestanden hatte, sich ihm anzuvertrauen. Er konnte warten – auch wenn sein Geduldsfaden immer dünner wurde. Er würde warten müssen , bis sie diesen einen Schritt auf ihn zumachte, anstatt ständig vor ihm zurückzuweichen.
Ihre Hand noch immer in seiner, stieg er mit ihr die Treppe empor zur Tür. Innen in der Diele lag ein aprikosenfarbener Fellhügel. Squat. Selbst als Chase die Tür geräuschvoll aufschob, schnarchte der Hund seelenruhig weiter.
»Bist du sicher, dass du einen so gefährlichen Wachhund einfach so herumliegen lassen kannst, ohne ihn anzuketten?«
»Ich halte überzeugt an der Theorie fest, dass jeder Einbrecher es sich zweimal überlegen wird, ob er über Squat steigen will.« Chase fasste Eden um die Taille und hob sie über den Hund.
Die Steinwände hielten die Sommerhitze ab, in der Halle war es angenehm kühl. Hohe, offene Decken schufen die Illusion von unbegrenztem Platz. Eine Landschaft von Monet zog Edens Blick an, doch bevor sie eine Bemerkung machen konnte, hatte Chase sie schon durch eine hohe schwere Mahagoni-Tür gezogen.
Es war ein gemütlicher Raum mit Fenstersitzen. Die Fenster zeigten nach Osten und Westen. Eden stellte sich vor, wie schön es sein musste, in den gepolsterten Nischen zu sitzen und mitzuverfolgen, wie die Sonne aufging oder unterging. Dieser Raum strahlte eine wunderbare Behaglichkeit aus. Blau war die vorherrschende Farbe, angefangen vom blassesten Aquamarin bis hin zum tiefsten Indigo. Handgewebte Teppiche bildeten
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