Versuchung
ich nicht mehr davonlaufen kann. Ich will versuchen, mein Schicksal
selbst zu bestimmen und meinen eigenen Weg zu gehen.“
Ich nickte langsam.
„Aber du scheinst dich nicht allzu sehr verändert zu haben … ich meine, trotz
des anderen Aussehens ähnelst du Night in vielen Dingen.“
Er lächelte und antwortete:
„Das liegt daran, dass ich noch immer dieselbe Person bin. Auch wenn ich ein anderes
Aussehen annehme, ändert dies nichts an meinem Inneren. Nachdem ich mich damals
verwandelt hatte, war ich lange Zeit von dieser, also meiner wahren Gestalt getrennt.
Es dauerte eine Weile, bis ich wieder ich selbst war.“
Ich glaubte zu
wissen, was er damit meinte. Ich hatte darüber gelesen. Wenn ein Dämon zu lange
in einer fremden Gestalt verharrte, verlor er den Bezug zu sich selbst. Verwandelte
er sich schließlich zurück, konnte es so weit gehen, dass er förmlich den
Verstand verlor und nicht mehr in der Lage war, klar zu denken.
Ich betrachtete ihn.
Es stimmte, so vieles erinnerte mich an Night. Seine Gesten, seine Mimik und sogar
seine Art zu sprechen.
„Warum heißt du
eigentlich ausgerechnet Devil?“
Er setzte ein
seltsames Lächeln auf, als er zu erklären begann: „Das war die grandiose Idee
meines Vaters. Er wollte den Hexen eine Botschaft senden, indem er quasi einen
Namen aus Necare benutzte. Du kannst dir sicher denken, warum er ausgerechnet
diesen gewählt hat. Mich stört es nicht, denn ich weiß, wer ich wirklich bin.“
Er lächelte kurz,
stand dann auf und ging zum Rucksack, aus dem er noch weitere Decken hervorholte
und mir reichte.
„Du solltest jetzt besser
schlafen gehen; morgen müssen wir früh aufbrechen.“
Ich nickte. „Und
was ist mit dir?“
„Ich brauch Keine,
es geht auch ohne. Und jetzt leg dich hin, sonst bist du morgen völlig
erschöpft.“
Ich wusste, dass er
recht hatte, und kuschelte mich in die Decke ein. Sie war weich und angenehm warm.
Ich schloss die Augen und versuchte vergeblich zu schlafen.
Die Zeit verging
und ich hörte das Knistern des Feuers und den Wind in den Bäumen. Hin und
wieder öffnete ich die Augen und sah, dass Devil noch immer wach war. Er saß an
einen Baum gelehnt und blickte in die Flammen. Er schlief also auch nicht. Ich
fragte mich, ob er es überhaupt vorhatte.
Es war seltsam, ihm
so nah zu sein … und dennoch lag eine unglaubliche Distanz zwischen uns. Er war
ein Dämon und auch wenn er sich innerlich nicht verändert hatte, so lebte er
jetzt doch in einer anderen Welt. Ich wusste selbst nicht, was ich denken oder fühlen
und wie ich damit umgehen sollte. Es jagten so viele Empfindungen durch mich
hindurch, dass ich mich selbst nicht mehr verstand. Ich wusste nur, dass nichts
mehr so war wie früher …
Trotz all der
Gedanken, die mich beschäftigten, musste ich dann wohl doch irgendwann
eingenickt sein. Als ich die Augen wieder öffnete, war um mich herum finstere
Nacht. Nur das Lagerfeuer spendete ein wenig Licht. Ich fühlte mich noch immer
ziemlich erschöpft und versuchte, eine bequemere Position zu finden, um dann
hoffentlich weiterschlafen zu können. Ich drehte mich auf die andere Seite und war
gerade dabei, meine Augen zu schließen, als mein letzter Blick auf den
Baumstamm fiel, an dem Devil noch am Abend gesessen hatte. Sofort riss ich sie
wieder auf. Ich sah lediglich den nackten Stamm, Devil aber war verschwunden.
Ich setzte mich auf und blickte mich suchend um. Der Lagerplatz wirkte unverändert,
doch ich war nun vollkommen allein.
Voller Unruhe befreite
ich mich von den Decken und stand auf. Da fiel mir etwas ein. Sofort wandte ich
mich zu der Stelle, an der das Pferd gestanden hatte. Wenn es noch da war,
würde Devil sicher gleich wiederkommen.
Aber Velox war
ebenfalls fort. Vor Angst begann ich zu zittern und spürte die nackte Panik in
mir aufsteigen. Hatte er mich tatsächlich allein zurückgelassen? Ohne Sinn und
Verstand stolperte ich umher, um nach ihm zu suchen. Ich wollte nicht glauben,
dass er einfach abgehauen war. Warum hätte er das tun sollen? Er hätte mir doch
erst gar nicht seine Hilfe anbieten müssen. Hatte ich ihm vielleicht doch zu
schnell vertraut?
Ich entfernte mich immer
weiter vom Lagerplatz und hatte kurz darauf gänzlich die Orientierung verloren.
Ich war von dunklen, hohen Büschen umgeben sowie von Bäumen, von denen einer
aussah wie der andere. Zudem war es mittlerweile eisig kalt geworden und der
Himmel war von
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