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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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mutmaßte ich. »Wer weiß, wie viele Halbgeschwister unser Horst noch hat.«
    Marquardt vergrößerte das Bild. Die Aufnahmen waren von Profis durch die Büsche geschossen worden, in der Hoffnung, damit Geld zu verdienen. Sie waren von hervorragender Qualität.
    »Schau dir ihre Uhr an. So ein billiger bunter Plastik-Hugo. Geht gar nicht. Es muss eine Angestellte sein oder so was. Hier ist noch eins.«
    Der abgemagerte, gebeugte Helmfried Hagen traf sich, gestützt auf seine junge Helferin, mit einer älteren Dame. Marquardt kniff die Augen zusammen und musterte die beiden. Sie wirkten vertraut, jedoch nicht vertraulich.
    »Keine Ahnung. Sie sieht ihm irgendwie ähnlich. Ebenfalls groß und breit. Das gleiche Haar und dieser Riesenzinken.«
    Riesenzinken war übertrieben. Beide, Helmfried und die Unbekannte, hatten ausgeprägte, kräftige Nasen. Wie Horst, setzte ich in Gedanken hinzu. Ich sah auf meinen Zettel.
    »Das muss Eleonore sein. Die Schwester vom alten Hagen. Den Namen hat mir Mariechen genannt. Heute heißt sie Lohbeck und lebt in Kanada.«
    »Willst du klagen?«
    »Gegen wen?«
    »Mariechen gegen die Camerers. Als Erbin ihres Bruders stünden die Chancen gar nicht so schlecht.«
    »Dafür muss ich erst wissen, was Sinter mit ihrem Bruder ausgemacht hat. Das könnte man eventuell anfechten.«
    Marquardt drehte sich mit seinem Stuhl vom Monitor weg in meine Richtung. »Ich würde abraten und einen außergerichtlichen Vergleich anstreben. Nur mit einer weitaus höheren Summe als die, mit der sie Horst Schwerdtfeger abgespeist haben.«
    »Wenn das Geld wirklich von ihnen kam, stellt sich die Frage, wo in diesem ganzen Familiengeflecht die Verbindung zu Polen ist.«
    »Viel Glück. Sie sind mit allen Wassern gewaschen. Sinter und seine Kollegen werden dich mit Klagen überziehen, bis du deinen eigenen Namen nicht mehr weißt. Hier.« Er tippte auf die Visitenkarte. »Reputationsmanagement. Prävention. Der riecht dich und Stress, und dann hast du keine Chance.«
    Ich ärgerte mich, weil Marquardt immer wieder durchblicken ließ, dass die großen Fische eigentlich in seinem Teich schwammen. Er hätte natürlich eine Chance . Ich hingegen … Es musste einen Weg geben. Natürlich würde Sinter nie die Geheimnisse seiner Mandanten ausplaudern. Aber Anwälte waren eitel. Sie wollten immer gewinnen, und sie wollten, dass die Welt von ihren Triumphen erfuhr. Wenn es schon nicht die Welt war, dann sollten wenigstens ihre Mandanten wissen, was für tolle Hechte sie als Anwälte beschäftigten.
    Marquardt deutete auf das Abbild des alten Mannes und die unbekannte Blonde im Trenchcoat. »Kümmere dich lieber um Hagen. Da ist was zu holen. Wie gerät der Typ an eine der reichsten Frauen Deutschlands? Warum lässt er seinen Erstgeborenen im Stich? Was ist nach seinem Tod ins Rollen gekommen?«
    »Wer ist diese Frau?«
    »Genau.« Er lehnte sich zurück und sah noch einmal auf die Unbekannte. »Wer ist diese Frau?«
    »Mailst du mir die Fotos?«
    »Klar.«
    »Ich muss mit Sinter sprechen.«
    »Vergiss es. Der redet nicht mit dir. Sogar ich …« Er rieb sich mit dem Zeigefinger über die Nase. »Warte mal. Mir kommt gerade eine Idee. Ich könnte mal checken, ob mein zukünftiger Schwiegersohn irgendeine Verbindung zu Johns Gattin hat. In zwei Wochen kommt er nach Berlin.«
    »Das dauert mir zu lange. Marie-Luise braucht unsere Hilfe sofort.«
    Wahrscheinlich würde sie mir den Hals umdrehen. Sie hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Marquardt. Ganz verachten konnte sie ihn nicht. Aber Hilfe von ihm annehmen – unmöglich.
    »Ich rede mit Tiffy. Sie kann sich ja schon mal umhören.«
    »Wann?«
    »Na, jetzt nicht.« Er sah auf seine Uhr. »Mitternacht. Sie zieht um die Häuser. Spätestens in Mailand ist Schluss mit lustig.«
    »Morgen früh?«
    »Sobald sie ansprechbar ist.«
    Ich verabschiedete mich und versuchte, den Weg hinunter so leise wie möglich zu gehen. Im Wohnzimmer lief der Fernseher. Marion lag auf der weißen Ledercouch, ein Glas Rotwein neben sich, und starrte auf eine Comedyshow, bei der Lachsalven im Sekundentakt abgeschossen wurden.
    Im Vergleich zu Mariechen und Wolfgang kamen die beiden schlechter weg. Ich schloss die Haustür hinter mir und klappte den Kragen hoch. Es war kühl und feucht. Ein Sommer, der sich verweigerte. Nebel kroch durch tropfende Hortensien und streckte seine dunstigen Finger über die Straße. Ich dachte an Marie-Luise und Jacek. Und an Sinter. An eine junge Frau am Arm von

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