Versunkene Inseln
bedeckt war. Die Türangeln waren verrostet, und die dicke Platte hing schief vor dem Zugang. Verwirrt legte ich die Hand auf die Mauer. Einem so soliden Gebäude, das auf diese Art konstruiert worden war, hätte es an der Elastizität mangeln müssen, die notwendig gewesen war, um den Kataklysmen der Großen Formung zu widerstehen. Es hätte infolge der Beben einstürzen und von den Flutwellen davongeschwemmt werden müssen. Ich wies den Servo an, die Wände zu sondieren und beobachtete das Bild, das sich auf meinem Schirm zu formen begann. Die roten Streifen, die Stahlträger und Kabel darstellten, bildeten nicht das übliche Muster. Sie verliefen nicht nur senkrecht und waagrecht, sondern waren miteinander verwoben und verschachtelt und bildeten unzählige Vielecke, die sich über die ganze Länge und Breite der Wände erstreckten, und das bewirkte mehr Elastizität, als das Haus nötig gehabt hatte. Nach der Abtastung zu urteilen war der so massiv wirkende Fels der Außenwände nichts als eine Verkleidung der Stahlbeton-Polygone. Ich „schälte“ die äußerste Schicht des Bildes vom Sichtschirm und stellte fest, daß auch die Wände im Innern des Gebäudes dieser Netzstruktur entsprachen. Es gab nicht eine Abweichung von dieser Regel, keine Zwischenwand, die nicht das Vieleckmuster aufwies. Es war ein solides Bauwerk, beinahe ein Monument, gebaut, um zu überdauern. Warum?
Keine Fenster, keine Ventilationsschächte, nur eine Eingangstür. Keine eingemeißelte Widmung über dem Zugang, keine Hinweise auf den Zweck, dem das Haus gedient hatte. Ein Grabmal? Nein, nicht im Hilo des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Also ein Monument? Aber wofür? Und welchem Monument, das etwas auf sich hielt, mangelte es schon an einer Inschrift? Die Sondierung zeigte zwei Ebenen mit Zimmern im Innern an – Gänge, Türen, Decken, Böden. Also offenbar rein funktional, aber funktional wofür?
Seltsam, seltsam. Ich glitt vor den Eingang und spürte, wie Aufregung in mir aufflackerte. Die Blätter der Wasserpflanzen tanzten synchron zu den flinken Bewegungen der Fische. Ich blickte auf die schiefe Tür, und Schwärze schien mir aus dem Haus entgegenzufließen und mir zuzuwinken. Ich zügelte das Verlangen, mich Hals über Kopf in den so schrecklich dunklen und verlockenden Zugang des Gebäudes hineinzustürzen, und wies den Servo an, die Scheinwerfer einzuschalten und vor mir hineinzuschwimmen.
„Tia, was haben Sie entdeckt?“ verlangte Greville zu wissen, und seine Stimme war ein düsteres, beharrliches Jaulen an meinem Ohr. Offenbar war die Plünderung des Safes im Hauptbüro beendet, und während die anderen Taucher nach weiterer Beute Ausschau hielten, hatte er einen Augenblick Zeit gefunden, um sich an mich zu erinnern. Ich seufzte, erhöhte die Lautstärke wieder und schaltete den Sender ein.
„Das ist schwer zu sagen“, entgegnete ich. „Es ist ein Gebäude, aber ich kann nicht feststellen, welchem Zweck es gedient hat. Um ein Wohnhaus handelt es sich ganz gewiß nicht. Solide Konstruktion, keine sichtbaren Beschädigungen, keine Fenster, offenstehende Tür. Etwa fünfzehn Meter hoch, genauso lang und nicht ganz so breit. Ich werde jetzt hineinschwimmen.“
„Hören Sie, Tia, das könnte ziemlich gefährlich sein“, warnte Grevilles affektierte Stimme. „Warten Sie, bis wir Ihnen ein paar zusätzliche Servos geschickt haben, in Ordnung?“
„Warum? Ich habe hier bereits einen, und die Sondierung zeigt eine überraschend geringe statische Belastung des Hauses.“
„Warten Sie wenigstens, bis Tobias und die anderen mit dem Hotel fertig sind und zu Ihnen stoßen; dann können Sie zusammen
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