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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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der Ge­zei­ten an mei­ner Kör­per­flüs­sig­keit zerr­te. Und plötz­lich war ich nicht mehr die An­ders­ar­ti­ge, die Ziel­schei­be des ma­ka­b­ren Strei­ches, den mir die Sterb­lich­keit spiel­te. Ich wog­te als ein Teil des Ozeans, tauch­te tief hin­ein, ver­schmolz mit der Er­de, wur­de eins mit dem Wech­sel der Jah­res­zei­ten und den Pha­sen des Mon­des. Ich, mein Selbst, Tia, Kör­per und Geist, der Schöp­fer und das Er­schaf­fe­ne, der Wein und sei­ne Fla­sche, der Tem­pel und das Por­tal. Schön­heit. Freu­de. Frie­den. La­chen.
    Als wir die Rei­se des Ent­zückens be­en­de­ten und zu­rück­kehr­ten, die Freu­de und ich, da hat­ten sich die schwar­zen Ar­me des Bo­den­aus­wuch­ses, auf dem ich lag, zu­rück­ge­zo­gen und mich frei­ge­ge­ben. Das Bild auf dem Schirm pul­sier­te nicht mehr, son­dern war un­be­wegt und zeig­te fol­gen­de Wor­te:
    SIE HA­BEN JETZT DIE ERS­TE EIN­MO­NA­TI­GE UN­TER­WEI­SUNGS­FOL­GE ER­FOLG­REICH AB­GE­SCHLOS­SEN. RAT­SAM IST NUN EIN LÄN­GE­RES RU­HE- UND ER­HO­LUNGS­IN­TER­VALL. DA­NACH KÖN­NEN SIE MIT DEM ZWEI­TEN AB­SCHNITT BE­GIN­NEN.
    Acht­und­zwan­zig Ta­ge? frag­te ich mei­nen Kör­per. Nein, ver­si­cher­te er mir, nicht ein­mal an­nä­hernd so lan­ge. Ich er­hob mich, warf einen prü­fen­den Blick auf das Chro­no­me­ter des Ser­vos und stell­te fest, daß nicht mehr als zwei Stun­den seit der Ak­ti­vie­rung der Ma­schi­ne ver­gan­gen wa­ren. Hat­ten sich wäh­rend der lan­gen Zeiträu­me, seit de­nen die­ses Ge­bäu­de un­ter den Wo­gen des Mee­res be­gra­ben war, ei­ni­ge Fehl­funk­tio­nen in den Me­cha­nis­mus des Raum­es ge­schli­chen? Aus ir­gend­ei­nem Grund be­zwei­fel­te ich das. Dann fie­len mir die Fä­hig­kei­ten und Ta­len­te ein, die ich mit­ge­bracht hat­te, das Ein­tau­chen in die In­nen­welt, das Be­ob­ach­ten der Kör­per­funk­tio­nen, und ich be­griff. Drei Vier­tel des Lehr­stof­fes der Ma­schi­ne wa­ren mir be­reits zu­vor ver­traut ge­we­sen – nur das letz­te Sta­di­um hat­te et­was Neu­es für mich dar­ge­stellt.
    Die­ses letz­te Sta­di­um aber …
    Ich hat­te mei­ne In­nen­welt be­rührt, kon­trol­liert und ma­ni­pu­liert. Ich hat­te die Mee­re in den win­zigs­ten Lymph­ge­fäßen durch­schwöm­men und die Wel­len nach mei­nem Wil­len ge­formt. Ich hat­te mein Herz ge­strei­chelt. Ich tas­te­te in mich hin­ein und ver­än­der­te den po­chen­den Rhyth­mus er­neut. Und ich spür­te, wie das Herz mei­nen Ge­dan­ken wil­lig ge­horch­te. Dann ließ ich mich wie­der nie­der, über­wäl­tigt von die­ser neu­en Er­fah­rung.
     

35
     
    In dem Som­mer, als ich vier­zehn Jah­re alt wur­de, ver­lie­ßen mei­ne Mut­ter und ich un­ser ge­mein­sa­mes Heim. Sie ging ih­ren Weg – zu den Sand­wüs­ten des Mars – und ich den mei­nen, nach Se­vil­la und der Uni­ver­si­tät. Ich ver­füg­te über ei­ne Stu­di­en­platz­zu­wei­sung und einen Kre­dit­fond, den mir mein Va­ter als Ge­schenk über­schrie­ben hat­te, als ich ihm zum zwei­ten­mal be­geg­ne­te. Sechs Mo­na­te zu­vor hat­te ich mei­ne Un­schuld ver­lo­ren, auf ei­nem Erg­schwe­ber, der durch die hei­ßen Sümp­fe der Ever­gla­des glitt. Ich war auf herr­li­che Wei­se mei­ner Jung­fräu­lich­keit be­raubt wor­den; wir hat­ten uns hin und her ge­wälzt un­ter dem mat­ten Schim­mer des Kraft­fel­des, das un­se­re Kör­per vor den In­sek­ten und der glü­hend hei­ßen Son­ne schütz­te.
    Ich reis­te nach Se­vil­la, nahm mei­ne Re­gis­trie­rungs­wür­fel in Emp­fang und wähl­te mein Haupt­stu­di­en­fach. Ich fand ei­ne klei­ne Woh­nung über ei­nem der al­ten Plät­ze, und von dort aus konn­te ich über die sorg­sam re­stau­rier­ten Zie­gel­dä­cher bis hin zu den Turm­spit­zen ei­ner wie­der­auf­ge­bau­ten Ka­the­dra­le bli­cken. Bald schon fand ich An­schluß an ei­ne Cli­que von Stu­den­ten in mei­nem Al­ter, und wir san­gen und schlie­fen ge­mein­sam. Ich kam mit mei­nem Stu­di­um gut vor­an. Wäh­rend die­ses Som­mers sprach ich ein- oder zwei­mal mit mei­ner Mut­ter, dann ging sie einen Kon­trakt für ein wei­te­res Kind ein, und wir ver­lo­ren uns aus den Au­gen. Der Som­mer ging

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