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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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son­dern viel­mehr das gan­ze Sein, Kör­per, See­le, al­les. Ich er­zit­ter­te un­ter der durch­drin­gen­den Wir­kung die­ser Vi­si­on, und das Zit­tern ver­wan­del­te sich in ein Ge­fühl der in­ne­ren Stär­kung und des glü­hen­den Stol­zes, der ele­men­ta­ren und ab­so­lu­ten Freu­de. Ich, Tia Ham­ley, mein Selbst, mei­ne Iden­ti­tät. Mein Kos­mos ist groß ge­nug. Ich bin – ei­ne ein­fa­che und herr­li­che Er­kennt­nis. Ein gänz­lich un­ent­gelt­li­ches Ge­schenk.
    Ich hob ab von der Säu­len­hal­le, saus­te em­por und schlug die toll­kühns­ten und über­mü­tigs­ten Sal­tos, die Se­vil­la je er­lebt hat­te, Ich zeich­ne­te kom­pli­zier­te Fi­gu­ren in die Luft, stürz­te dem Bo­den ent­ge­gen, se­gel­te wie­der hin­auf und lach­te und schrie vor Ver­gnü­gen. Ich durch­schwamm die Abend­luft, als hät­te ich den Ver­stand ver­lo­ren. Ich tauch­te durch den Gischt der Fon­tä­nen auf dem Platz und ver­sprüh­te einen Re­gen glit­zern­der Trop­fen um mich her­um, als ich wie­der em­por seh wirr­te. Ich ließ mich auf der obers­ten Turm­spit­ze der Ka­the­dra­le nie­der und sang schmut­zi­ge Lie­der. Ich stahl drei Oran­gen von ei­nem Ver­kaufs­stand, jonglier­te mit ih­nen und lach­te schrill. Kurz ge­sagt: Ich rich­te­te ein ziem­li­ches Durch­ein­an­der an.
    Na­tür­lich be­schwer­te sich ir­gend je­mand. Mir wur­de ein stren­ger Ver­weis er­teilt, und man zog mei­nen Lif­ter für einen Mo­nat ein. Aber das war es wert: Ich be­reu­te nichts, nicht ein biß­chen.
     

36
     
    „Was zum Teu­fel ha­ben Sie sich da­bei ge­dacht?“
    „Ha­ben Sie denn nicht einen Fun­ken Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl?“
    „Wo ist der Ser­vo? Wo ist der Ser­vo?“
    „Wir ha­ben al­le Ro­bo­ter nach Ih­nen su­chen las­sen!“
    „Wenn Sie sich noch ein­mal so ver­hal­ten, dann … dann ver­bie­te ich Ih­nen je­den wei­te­ren Tauch­gang!“
    Die schim­mern­den Was­ser des Mee­res glit­ten an mir vor­bei, als ich nach dem fünf­zig­mi­nü­ti­gen De­kom­pres­si­onss­top un­ter dem dunklen Bauch der Ili­um durch den hell er­leuch­te­ten Kreis des Tauch­schach­tes hin­auf­schwamm. Der Ser­vo folg­te mir ge­dul­dig und zog mei­nen Be­schwich­ti­gungs­hap­pen für den oben war­ten­den Zer­be­rus hin­ter sich her: ei­ne ver­ros­te­te Lam­pe aus dem großen Auf­ent­halts­raum von Mit­su­ya­gas Haus, et­was, um die an Bord des Schif­fes gras­sie­ren­de Hab­sucht zu be­sänf­ti­gen. Ich hat­te die Ab­sicht, den Un­s­terb­li­chen die­se Lam­pe als ein­zi­ges Ar­te­fakt dar­zu­bie­ten, das ich in dem zer­fal­le­nen, ver­schlamm­ten, lee­ren und gänz­lich rät­sel­haf­ten Ge­bäu­de hat­te er­beu­ten kön­nen, als das ich ih­nen das Haus be­schrei­ben wür­de. Und ich hoff­te, daß sie nie die Wahr­heit er­fuh­ren. Gre­ville und Har­kness schri­en noch im­mer, und ih­re Stim­men summ­ten und sirr­ten wie klei­ne zor­ni­ge Mücken in mei­ner Tau­cher­mas­ke. Ich dreh­te ein wei­te­res Mal die Laut­stär­ke her­un­ter und gab kei­ne Ant­wort.
    „… je­de Vor­sichts­maß­re­gel au­ßer acht ge­las­sen!“
    „Sie hät­ten den Tod fin­den kön­nen!“
    „Es han­delt sich um teu­re Aus­rüs­tungs­ma­te­ria­li­en!“
    Ich zog mich an den Spros­sen des Tauch­schach­tes em­por, klet­ter­te aus dem Was­ser und stand trief naß in der Kam­mer. Der Ser­vo ver­stau­te die Lam­pe im La­ger­raum und zog sich dann in die für ihn re­ser­vier­te War­te­ni­sche zu­rück. Gre­ville, Har­kness und Paul hat­ten sich am Rand des Schach­tes ver­sam­melt. Gre­ville ges­ti­ku­lier­te auf­ge­bracht mit den Ar­men, Har­kness fluch­te är­ger­lich, und Paul starr­te mich nur schwei­gend an. Ich zog die An­schlüs­se aus der Tau­cher­mas­ke, und die zor­ni­gen Stim­men be­en­de­ten ih­re ver­ba­le At­ta­cke. Doch Gre­ville und Har­kness schri­en mich auch wei­ter­hin mit sich laut­los öff­nen­den und schlie­ßen­den Mün­dern an. Ich nahm die Tau­cher­mas­ke ab, zog mir die Gum­mi­ka­pu­ze vom Kopf und leg­te bei­des ne­ben mir auf den Bo­den. Dann setz­te ich mich wort­los hin, ließ die Bei­ne über den Rand des Tauch­schach­tes bau­meln und sah zu den bei­den

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