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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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den Ma­schi­nen­raum, hol­te die oran­ge­far­be­ne De­cke aus dem Mi­na­rett und kehr­te wie­der zu­rück.
    Ich füll­te einen Ei­mer mit Sei­fen­was­ser, rei­nig­te Be­ni­tos Brust, säu­ber­te ihn von dem Blut und den Fleisch­fet­zen und wisch­te die kleb­ri­ge Mas­se vom Bo­den. Ich hat­te noch nie zu­vor mit ei­ner Lei­che zu tun ge­habt, und in mei­ner Be­nom­men­heit sah ich plötz­lich Sal vor mir, die mit gro­ber Sen­si­bi­li­tät ein Grab schau­fel­te, un­ter der hei­ßen aus­tra­li­schen Son­ne. Als ich Be­ni­to in die oran­ge­far­be­ne De­cke gehüllt hat­te, fiel mir die Sa­che nicht mehr ganz so schwer. Sorg­fäl­tig ver­kno­te­te ich die En­den und hol­te dann einen Schwe­ber aus dem La­ger. Be­ni­to war kalt und schwer und ei­ne sper­ri­ge Last in mei­nen Ar­men, als ich ihn auf den Schwe­ber roll­te. Ich leg­te ihn rich­tig hin und ver­ge­wis­ser­te mich noch ein­mal, daß ihn die De­cke ganz ein­hüll­te und sich kein Kno­ten ge­löst hat­te. Ich zö­ger­te kurz, und mei­ne Ge­dan­ken ran­nen trä­ge da­hin, dann ak­ti­vier­te ich den Schwe­ber und brach­te Be­ni­to in die Tauch­kam­mer.
    Ich stopf­te all die ar­chai­schen Ge­wich­te, die ich ent­beh­ren konn­te, in einen Re­serve­gür­tel und be­fes­tig­te ihn an Be­ni­tos Tail­le. Das Kla­cken von Blei auf Blei hall­te lei­se von den Wän­den der Tauch­kam­mer wi­der, als ich den Gür­tel pla­zier­te und fest­zurr­te, und die Luft roch noch im­mer nach Salz, Was­ser und Gum­mi. Ich sah mich noch nach et­was an­de­rem um, ir­gend et­was, das ich ihm noch mit­ge­ben konn­te, doch mir fiel nichts wei­ter ein.
    „Kommt zur Bei­set­zung“, for­der­te ich die an­de­ren über den In­ter­kom am Fall­schacht auf. Ich setz­te mich ne­ben Be­ni­to und leg­te nach ei­ner Wei­le die Hand auf die De­cke, über Be­ni­tos Schul­ter. Was­ser klatsch­te ge­gen die Schacht wän­de.
    Je­mand sank durch den Zu­gangs­schacht hin­ab. Es war To­bi­as, und ich war noch im­mer so be­nom­men, daß mich das nicht ein­mal über­rasch­te. Er zö­ger­te, schritt dann lang­sam über den Ober­gang des Raum­es, kam her­un­ter und blieb ein paar Me­ter vor mir ste­hen. Er streck­te den Arm aus.
    In sei­ner Hand lag Be­ni­tos win­zi­ge Skulp­tur. Sie beb­te und wank­te im Takt zu To­bi­as’ Fin­gern, und ich wand­te den Blick von der Skulp­tur ab und sah in sein Ge­sicht. Sei­ne Wan­gen wa­ren weiß, die Mus­keln ge­spannt, und un­ter sei­nen Au­gen zeig­ten sich ro­te Rän­der.
    „Ich dach­te …“ brach­te er her­vor und zö­ger­te. Die Skulp­tur zit­ter­te. „Ich dach­te, er hät­te dies viel­leicht ger­ne da­bei.“
    Er straff­te sei­ne Ge­stalt, als ich an ihn her­an­trat, doch er ließ mich das Spiel­zeug aus sei­ner Hand neh­men. Schwei­gend starr­ten wir es bei­de an.
    „Ist es im­mer so?“ flüs­ter­te To­bi­as.
    Ich konn­te nicht ant­wor­ten.
    „Tia … wird es auch dir so er­ge­hen?“
    „Ich hof­fe nicht“, gab ich lei­se zu­rück.
    „Oder mir?“
    Ich sah über­rascht auf. Sei­ne Stim­me klang bit­ter.
    „Nein, mir nicht“, füg­te er hin­zu und wich zu­rück. „Ich wer­de es nicht zu­las­sen, und du kannst mir ein sol­ches Schick­sal nicht auf­zwin­gen.“
    Ich schüt­tel­te den Kopf. Sei­ne Au­gen glit­zer­ten wie die des ver­rück­ten Fa­na­ti­kers in Aus­tra­li­en. „To­bi­as, bit­te. Kön­nen wir nicht einen Waf­fen­still­stand schlie­ßen? Kön­nen wir nicht we­nigs­tens auf­hö­ren, Fein­de zu sein?“
    „Nein“, sag­te er, und sei­ne Stim­me war kühl und schnei­dend. „Nein. Du bist ei­ne Miß­ge­burt, Tia. Ich nicht.“ Er stürz­te der Steig­röh­re ent­ge­gen, warf sich oh­ne zu zö­gern hin­ein und schweb­te hin­auf.
    Ich nahm das klei­ne Spiel­zeug, schob es be­hut­sam in die oran­ge­far­be­ne De­cke hin­ein und leg­te es ne­ben Be­ni­to. Mir war nicht klar, warum To­bi­as die Skulp­tur hier­her­ge­bracht hat­te, aber mir wur­de va­ge be­wußt, daß er ver­rückt war. Es war nicht wei­ter wich­tig. Im Au­gen­blick war nur ei­nes wirk­lich von Be­deu­tung: Be­ni­tos reg­lo­ser Kör­per und das Feh­len von Wor­ten, die ich ihm auf sei­ne letz­te Rei­se mit­ge­ben konn­te.
    Wel­che

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