Versunkene Inseln
konzentrieren und ließ die Arbeit kurz darauf sein – die verschiedenen Einzelteile lagen verstreut neben und hinter mir auf dem Boden.
Ich nahm die Sichtscheibe auf, streckte mich auf dem Boden lang aus und preßte die Kühle an meine Haut. Das Material des Anzugs kratzte auf Bauch und Oberschenkeln, und die Kälte richtete meine Brustwarzen auf. Die Sichtscheibe bedeckte die eine Hand, und ich betrachtete sie mit starrem Blick und fühlte mich schuldig.
Schließlich war es meine Schuld, oder? Wenn ich mich nicht mit Benito gestritten hätte, wäre er nicht zornig gewesen, sondern ruhig und aufmerksam genug, um die Möglichkeit einer Kondensator-Entladung im Generator zu berücksichtigen. Dann hätte er vorher eine Kontrolle durchgeführt – und wäre jetzt noch am Leben. Doch ich war zu ihm gegangen, um ihn um Verzeihung zu bitten, und er hatte meine Entschuldigung nicht annehmen wollen. War es meine Schuld? Ich hatte ihn weder in den Generator hineingestoßen noch ihm Anlaß für seine Wut gegeben. Aber wenn es nicht zum Streit gekommen wäre … Und warum hatten wir uns überhaupt gestritten? Warum hatte sich Benito so über mein Verhältnis mit Paul aufgeregt, und aus welchem Grund hatte ich so unbeherrscht auf seinen Ärger reagiert? Und schließlich: Spielte das alles eigentlich noch eine Rolle? Benito war tot, und ich konnte mir so viele Fragen stellen und so viele Vorwürfe machen, wie ich wollte – dadurch wurde er nicht wieder lebendig. Das Schuldgefühl wurde zu einer stillen, tiefen Trauer – und ich war ziemlich sicher, daß ich die einzige war, die um ihn trauerte.
„Tia?“
Ich wandte den Kopf und erblickte Greville, der unschlüssig am Fuß des Fallschachtes stand.
„Tia, ich, äh, ich brauche Ihre Hilfe.“ Er wagte sich einige Schritte weiter in den Raum vor und drehte einen Knopf seines Laborkittels zwischen den Fingern hin und her. Der Knopf riß ab. Er starrte ihn erschrocken an und schob ihn dann in die Tasche.
„Verschwinden Sie, Greville.“
„Tia, bitte, Sie sind die einzige, die helfen kann.“
„Hauen Sie ab.“
„Es geht um Benito.“
Ich setzte mich auf und sah ihn an. „Sprechen Sie.“
„Nun, alle haben sich eingeschlossen, alle bis auf Sie und mich, und, äh …“ Er stockte und begann mit einem anderen Knopf herumzuspielen.
„Wo ist Tobias?“
„Er hat alles auf Automatik geschaltet und sich dann ebenfalls verkrochen. Er sagte, er ginge nicht mehr in die Nähe des Generatorenraums, solange Benito … äh, solange er noch da unten liegt.“
„Wollen Sie damit sagen, daß noch niemand Benitos Leiche fortgebracht hat?“
„Nun, äh, wer würde diese Aufgabe schon übernehmen?“ fragte er und zog an dem Knopf.
„Jetzt sagen Sie mir endlich, was Sie von mir wollen, Greville.“
„Schaffen Sie die Leiche weg! Wir können sie einfach nicht an Bord behalten, verstehen Sie? Schaffen Sie sie weg!“
Ich stellte mir Benito vor, wie er allein in dem summenden Raum lag, und ich stand auf.
„In Ordnung, Greville.“
„Vielen Dank“, rief er über die Schulter und eilte auf die Steigröhre zu.
„Verpiß dich“, antwortete ich seinen hinaufschwebenden Fersen.
Tobias hatte es zuwege gebracht, den defekten Generator an allen Seiten wieder zu verkleiden, bis auf die, an der Benito lag. Doch um die Leiche hatte sich niemand gekümmert. Der Tote lag so da, wie ich ihn zurückgelassen hatte, die Hände neben den Hüften, die Beine leicht gespreizt, der Kopf auf die Seite gedreht. Der Buckel hatte sich nun ganz aufgelöst; er war durch das Loch in der Brust gequetscht worden und als klebrige und schwammige Masse auf den Boden gequollen. Im Tode wirkte Benito sehr klein, viel kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Und er war kalt. Ich verließ
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