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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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kon­zen­trie­ren und ließ die Ar­beit kurz dar­auf sein – die ver­schie­de­nen Ein­zel­tei­le la­gen ver­streut ne­ben und hin­ter mir auf dem Bo­den.
    Ich nahm die Sichtschei­be auf, streck­te mich auf dem Bo­den lang aus und preß­te die Küh­le an mei­ne Haut. Das Ma­te­ri­al des An­zugs kratz­te auf Bauch und Ober­schen­keln, und die Käl­te rich­te­te mei­ne Brust­war­zen auf. Die Sichtschei­be be­deck­te die ei­ne Hand, und ich be­trach­te­te sie mit star­rem Blick und fühl­te mich schul­dig.
    Schließ­lich war es mei­ne Schuld, oder? Wenn ich mich nicht mit Be­ni­to ge­strit­ten hät­te, wä­re er nicht zor­nig ge­we­sen, son­dern ru­hig und auf­merk­sam ge­nug, um die Mög­lich­keit ei­ner Kon­den­sa­tor-Ent­la­dung im Ge­ne­ra­tor zu be­rück­sich­ti­gen. Dann hät­te er vor­her ei­ne Kon­trol­le durch­ge­führt – und wä­re jetzt noch am Le­ben. Doch ich war zu ihm ge­gan­gen, um ihn um Ver­zei­hung zu bit­ten, und er hat­te mei­ne Ent­schul­di­gung nicht an­neh­men wol­len. War es mei­ne Schuld? Ich hat­te ihn we­der in den Ge­ne­ra­tor hin­ein­ge­sto­ßen noch ihm An­laß für sei­ne Wut ge­ge­ben. Aber wenn es nicht zum Streit ge­kom­men wä­re … Und warum hat­ten wir uns über­haupt ge­strit­ten? Warum hat­te sich Be­ni­to so über mein Ver­hält­nis mit Paul auf­ge­regt, und aus wel­chem Grund hat­te ich so un­be­herrscht auf sei­nen Är­ger rea­giert? Und schließ­lich: Spiel­te das al­les ei­gent­lich noch ei­ne Rol­le? Be­ni­to war tot, und ich konn­te mir so vie­le Fra­gen stel­len und so vie­le Vor­wür­fe ma­chen, wie ich woll­te – da­durch wur­de er nicht wie­der le­ben­dig. Das Schuld­ge­fühl wur­de zu ei­ner stil­len, tie­fen Trau­er – und ich war ziem­lich si­cher, daß ich die ein­zi­ge war, die um ihn trau­er­te.
    „Tia?“
    Ich wand­te den Kopf und er­blick­te Gre­ville, der un­schlüs­sig am Fuß des Fall­schach­tes stand.
    „Tia, ich, äh, ich brau­che Ih­re Hil­fe.“ Er wag­te sich ei­ni­ge Schrit­te wei­ter in den Raum vor und dreh­te einen Knopf sei­nes La­bor­kit­tels zwi­schen den Fin­gern hin und her. Der Knopf riß ab. Er starr­te ihn er­schro­cken an und schob ihn dann in die Ta­sche.
    „Ver­schwin­den Sie, Gre­ville.“
    „Tia, bit­te, Sie sind die ein­zi­ge, die hel­fen kann.“
    „Hau­en Sie ab.“
    „Es geht um Be­ni­to.“
    Ich setz­te mich auf und sah ihn an. „Spre­chen Sie.“
    „Nun, al­le ha­ben sich ein­ge­schlos­sen, al­le bis auf Sie und mich, und, äh …“ Er stock­te und be­gann mit ei­nem an­de­ren Knopf her­um­zu­spie­len.
    „Wo ist To­bi­as?“
    „Er hat al­les auf Au­to­ma­tik ge­schal­tet und sich dann eben­falls ver­kro­chen. Er sag­te, er gin­ge nicht mehr in die Nä­he des Ge­ne­ra­to­ren­raums, so­lan­ge Be­ni­to … äh, so­lan­ge er noch da un­ten liegt.“
    „Wol­len Sie da­mit sa­gen, daß noch nie­mand Be­ni­tos Lei­che fort­ge­bracht hat?“
    „Nun, äh, wer wür­de die­se Auf­ga­be schon über­neh­men?“ frag­te er und zog an dem Knopf.
    „Jetzt sa­gen Sie mir end­lich, was Sie von mir wol­len, Gre­ville.“
    „Schaf­fen Sie die Lei­che weg! Wir kön­nen sie ein­fach nicht an Bord be­hal­ten, ver­ste­hen Sie? Schaf­fen Sie sie weg!“
    Ich stell­te mir Be­ni­to vor, wie er al­lein in dem sum­men­den Raum lag, und ich stand auf.
    „In Ord­nung, Gre­ville.“
    „Vie­len Dank“, rief er über die Schul­ter und eil­te auf die Steig­röh­re zu.
    „Ver­piß dich“, ant­wor­te­te ich sei­nen hin­auf­schwe­ben­den Fer­sen.
     
    To­bi­as hat­te es zu­we­ge ge­bracht, den de­fek­ten Ge­ne­ra­tor an al­len Sei­ten wie­der zu ver­klei­den, bis auf die, an der Be­ni­to lag. Doch um die Lei­che hat­te sich nie­mand ge­küm­mert. Der To­te lag so da, wie ich ihn zu­rück­ge­las­sen hat­te, die Hän­de ne­ben den Hüf­ten, die Bei­ne leicht ge­spreizt, der Kopf auf die Sei­te ge­dreht. Der Bu­ckel hat­te sich nun ganz auf­ge­löst; er war durch das Loch in der Brust ge­quetscht wor­den und als kleb­ri­ge und schwam­mi­ge Mas­se auf den Bo­den ge­quol­len. Im To­de wirk­te Be­ni­to sehr klein, viel klei­ner, als ich ihn in Er­in­ne­rung hat­te. Und er war kalt. Ich ver­ließ

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