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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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Beine, band sie zusammen und stieß die Ziege mit einer beiläufigen Geste um. Sie fiel zu Boden wie ein Sack Reis.
    Leutnant Sayle unterhielt sich weiter mit seinen Unteroffizieren, seine Worte waren wegen des geschäftigen Umherlaufens der Soldaten nur undeutlich zu verstehen. » Wir treiben ihn zur Küste und wenden uns dann nach Süden. « Offenbar berieten sie über ihre Suche nach dem Halbmenschen. » A6. Hier können wir über die Hügelkette vorrücken, die liegt auch bei Flut noch über dem Wasser. Das Flusstal dort könnte ihm Schutz bieten… «
    Hilflos sah Mahlia zu, wie der junge Soldat sich neben Gabby auf den Boden kniete, seine Machete hob und sie in ihren Hals schlug. Die Ziege blökte angstvoll, dann versank die Klinge tiefer in ihrem Fleisch, und sie verstummte. Blut floss aus ihrem Hals. Mahlia wandte den Blick ab.
    Die Soldaten wirkten vollkommen gleichgültig. Den Menschen das Vieh oder ihr Leben zu nehmen, war für sie ganz alltäglich. Mit hasserfülltem Blick beobachtete Mahlia die Jugendlichen. Vom Äußeren her waren sie sehr verschieden, hell- oder dunkelhäutig, dünn oder kräftig, klein oder groß, aber in ihrem Inneren waren sie letztlich alle gleich. Es spielte keine Rolle, ob sie Ketten mit Fingerknochen um den Hals trugen, Armbänder mit den Milchzähnen kleiner Kinder oder Tätowierungen auf der Brust, die Kugeln fernhalten sollten. Sie waren alle von Narben entstellt, und ihre Augen waren tot.
    Mahlia wusch sich die Hände in abgekochtem Wasser, spülte sie mit Alkohol ab und versuchte, nicht hinzuschauen, während die Ziege zerlegt wurde.
    So sind sie nun mal, erinnerte sie sich. Leg dich nicht mit Gegnern an, die du nicht besiegen kannst. Sie musste sich an die Lehren von Sun Tzu halten und sich einen Plan überlegen, wie sie die nötigen Medikamente besorgen konnte, um Mouse zu retten.
    Mahlia lauschte Sayles Worten. » B6, Hi-Lo Kolonne, Potomac… « Die Bezeichnungen sagten Mahlia nichts. Sie wusste nur, dass der Leutnant einen ganzen Trupp Soldaten befehligte, die nach dem Halbmenschen suchten, und dass Mouses Leben keinen Roststaub mehr wert war. Wenn die Soldaten den Halbmenschen fanden, bevor Mahlia zu ihm zurückkehren konnte, würde er denken, sie hätte ihn verraten, und das wäre das Ende von Mouse. Und sie saß hier fest und flickte jemanden zusammen, der ihr mit Freuden ihre verbliebene Hand abhacken würde.
    Mahlia nahm die abgekochten Zangen, Skalpelle und Nadeln aus dem zerbeulten Kochtopf und ging an den Soldaten vorbei zu dem letzten überlebenden Opfer. Wenn sie nur dem Arzt hätte mitteilen können, was mit Mouse passiert war!
    Â» Tretet einen Schritt zurück « , sagte sie zu den Soldaten. Diese schenkten ihren Worten jedoch keine Beachtung.
    Der Arzt blickte auf. » Euer Kamerad braucht frische Luft. Und der Dreck, den ihr am Leib tragt, darf nicht in seine Wunden gelangen. Hört auf das Mädchen, oder euer Freund wird nicht überleben. «
    Â» Wenn er stirbt, dann seid ihr auch fällig « , murmelte einer der Soldaten.
    Mahlia hätte nicht sagen können, ob es Soa war oder einer der anderen. In diesem Moment mischte sich jedoch der Verwundete selbst in das Gespräch. » Ihr habt gehört, was sie gesagt haben « , brachte er keuchend hervor. » Zurück mit euch, und lasst die Ärzte ihre Arbeit machen. «
    Mahlia kniete sich nieder und begann die Wunden auszuwaschen. Sie versuchte zu erkennen, ob die gebrochenen Rippen seine inneren Organe verletzt hatten.
    Der junge Soldat zuckte nicht zusammen, als sie seine Wunden untersuchte. Dass er Schmerzen hatte, merkte man nur daran, dass er hin und wieder den Atem anhielt. Mit verächtlichem Blick sah er starr geradeaus. Mahlia wusch den blutigen Lappen aus und tupfte dann weiter die Wunden ab.
    Sie war eine Idiotin. Natürlich war das Ungeheuer auf der Flucht. Das ganze Ufer war voller Abdrücke von Stiefeln und Hundepfoten gewesen. Der Halbmensch war schließlich nicht aus dem Nichts gekommen. Er war aus den versunkenen Städten geflohen, und die Soldaten hatten ihn verfolgt. Im Rückblick betrachtet war das alles vollkommen klar.
    Â» Diese Wunden sehen mir aber nicht so aus, als ob sie von einem Wildschwein stammen « , sagte sie.
    Der verwundete Soldat blickte sie zum ersten Mal an. In seinen goldgesprenkelten grünen Augen blitzte es gefährlich. Ein

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