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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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würde ihm nicht erzählen, wie lange es gedauert hatte, bis sie ihre linke Hand so weit hatte, dass sie damit all die Dinge machen konnte, die sie mit der rechten für so selbstverständlich gehalten hatte. Manchmal passierte es immer noch, dass sie unwillkürlich die rechte Hand benutzen wollte– ein Phantomglied, das nicht mehr da war.
    Â» Mit der Linken bist du tatsächlich recht geschickt « , gab der Soldat zu.
    Â» Zum Nähen sollte es ausreichen. «
    Â» Na, mehr kann man nicht verlangen « , sagte er.
    Mahlia blickte überrascht auf. Seine Stimme klang beinahe sanft. Als würde er Mitleid für sie empfinden.
    Kann ich mit dir einen Handel schließen?, fragte sie sich. Ist da noch ein Mensch, irgendwo tief drinnen?
    Doktor Mahfouz redete ständig davon, dass in jedem von ihnen noch ein Stück Menschlichkeit steckte. Mahlias Erfahrung nach war das reines Wunschdenken. Aber als sie jetzt diesen Sergeanten namens Ocho betrachtete, fragte sie sich, ob sich in diesem harten, von Narben gezeichneten Jungen womöglich ein weicher Kern verbarg, den sie ausnutzen könnte.
    Sie machte mit dem Nähen weiter. » Woher hast du deinen Namen, Ocho? «
    Er keuchte auf, als die Nadel durch sein Fleisch stach. » Ich habe acht Gegner mit dem Messer getötet. Sie hatten Gewehre, aber ich habe ihnen trotzdem die Kehle durchgeschnitten. « Er berührte das tiefe Brandmal auf seiner Wange, das Kennzeichen der VPF unter der Führung von Oberst Glenn Stern. » Habe dafür die vollen Rauten bekommen. Der Kampf ist Legende. «
    Die Soldaten im Umkreis nickten. » Ja wirklich acht. Legende. «
    Â» Wie hast du das geschafft? « , fragte Mahlia.
    Â» Das geht dich nichts an, Chinesenbalg. «
    Von einem Moment zum nächsten klang seine Stimme wieder hart und brutal wie Beton. Alles Mitgefühl war daraus verschwunden. » Mach mit dem Nähen weiter und hör auf zu quatschen. «
    Â» Ich… «
    Â» Wenn du nicht gleich die Klappe hältst, reiß ich dir die Zunge raus und brate sie in Öl. «
    Blitzschnell hatte er sich wieder in einen kaltblütigen Mörder verwandelt, der schon eine Menge Blut vergossen hatte und noch mehr vergießen würde.
    Mahlia zog den Kopf ein und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Plötzlich wünschte sie sich nur noch, unsichtbar zu sein.
    Schließlich waren sie und der Arzt fertig. » Gut « , sagte Doktor Mahfouz. » Das sollte wieder zusammenheilen. « Mahlias Arm und Nacken waren verspannt. Es war nicht einfach, so zu arbeiten, aber ihnen blieb nichts anderes übrig.
    Ocho betrachtete die geschlossene Wunde. » Sauber vernäht. «
    Â» Hee, Jungs « , rief er zu den anderen Soldaten hinüber. » Schaut mal. Die haben mich wieder zusammengeflickt. «
    Ja, du bist wieder zusammengeflickt. Und jetzt verschwinde, damit ich die Medikamente holen und zu Mouse zurückkehren kann, dachte Mahlia.
    Wenn die Soldaten bald weiterziehen würden, könnte sie es vielleicht noch rechtzeitig schaffen. Selbst im Dunkeln würde sie den Ort, wo Mouse auf sie wartete, ohne große Schwierigkeiten wiederfinden. Sie würde den Arzt mitnehmen. Das Ungeheuer würde seine Medikamente erhalten, und Mouse wäre gerettet.
    Der Leutnant kam herüber. » Wie geht es Ihnen, Sergeant? «
    Â» Wieder quicklebendig. « Ocho stemmte sich hoch. Zwar war er unter seiner dunklen Haut etwas blass, aber er hielt sich tatsächlich auf den Beinen. » Bereit zum Abmarsch. «
    Sein Anführer schüttelte scharf den Kopf. » Setzen Sie sich, Soldat. Wir gehen nirgendwohin. Wir werden in diesem Dorf unser Lager aufschlagen und von hier aus mit der Suche beginnen. Warum im Sumpf umherirren, wenn wir vor Ort eine gute Versorgung haben? « Er legte dem Arzt eine Hand auf die Schulter. » Also, wo sind Ihre Antibiotika? «
    Mahlias Herz setzte einen Moment lang aus. Nein. Die brauche ich. Für Mouse.
    Â» Wir haben keine « , sagte der Arzt. » Aber keine Sorge. Die Wunde ist sehr sauber. Es sollte keine Komplikationen geben. Wir haben alle Instrumente gründlich sterilisiert und bei der Arbeit sterilisiertes Wasser und Alkohol benutzt. «
    Der Leutnant packte den Arzt und riss ihn dicht zu sich heran. » Halten Sie mich für eine ahnungslose Kriegsmade? Das Tier hatte dreckige Klauen. Da braucht man Antibiotika. «
    Mahlia räusperte sich. » Ich dachte, es

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