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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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auf seiner braunen Haut. Drei Striche waagerecht, drei schräg nach unten. Eindeutig VPF . Seine Unterlippe war gepierct. Drei funkelnde Dornen nebeneinander. Mahlia wusste nicht, ob sie nur Schmuck waren oder ein weiteres Kennzeichen, mit dem der Oberst seine Rekruten versah.
    Â» Habe ich das gemacht? « , fragte der Soldat noch einmal. Aber bevor sie antworten konnte, richtete er sich überrascht auf.
    Â» Schaut euch mal ihre Augen an! « , rief er. » Da ist uns eine Kollaborateurin ins Netz gegangen! Eine hübsche kleine Friedenswächterin. « Mahlia versuchte erneut, sich loszureißen, aber er zerrte sie zurück und drückte sie fest an sich, wobei er ihr so heftig den Arm verdrehte, dass dieser beinahe aus dem Gelenk gesprungen wäre.
    Â» Nicht so schnell « , flüsterte er ihr ins Ohr. Seine Stimme klang kalt und noch drohender als zuvor. Eben war sie nur ein Spielzeug für ihn gewesen; jetzt war sie um einiges interessanter. » Ich bin noch nicht mit dir fertig, Chinesenbalg. «
    Chinesenbalg. Bei seinen Worten horchten die anderen Soldaten auf. Friedenswächterin. Chinesenbalg. Mahlia wusste, was als Nächstes kommen würde. Erst würde eine Menge Blut fließen, und am Ende würde sie tot sein– wenn sie Glück hatte.
    Sie tastete nach ihrem Messer, aber es hatte wenig Sinn, solange der Soldat ihren gesunden Arm festhielt. Er schien ihre Gedanken erraten zu haben und holte ihr Messer hervor. Drückte es ihr an die Kehle.
    Â» Was machst du hier, Kollaborateurin? «
    Mahlia wurde übel. Innerlich bereitete sie sich schon auf das vor, was gleich geschehen würde. Es würde genauso sein wie damals, als sie der Gottesarmee in die Hände gefallen war. Andere Armee, ähnliche Geschichte. Am Ende waren sie alle gleich.
    Â» Was macht eine Friedenswächterin hier draußen? « , fragte er. » Haben die dich hier im Dorf aufgenommen? « Mahlia antwortete nicht. Sie versuchte immer noch, sich loszureißen, aber der Junge war größer und stärker als sie. » Warum antwortest du nicht, hm? Hat dir jemand die Zunge rausgeschnitten? Oder bist du einfach nur störrisch? « Er hielt inne. » Hältst dich wohl für was Besseres, was? « Das Messer wanderte zu ihrer Wange hoch und berührte ihre Lippen. » Dann zeig mal deine Zunge. «
    Voller Panik warf Mahlia sich herum und hätte es diesmal beinahe geschafft, sich loszureißen.
    Â» Haltet sie, Jungs! «
    Hände packten sie und hielten sie an Armen und Kopf fest, sodass sie gezwungen war, zu dem Soldaten hochzublicken, der über ihr aufragte. Schmutzige Finger öffneten ihren Mund. Mahlia versuchte zuzubeißen.
    Â» Hey! « , rief der Soldat belustigt. » Hat ja richtig Feuer, die Kleine! « Aber er ließ sie nicht los. Er drückte ihre Wangen zusammen, um ihren Mund zu öffnen. Dann schob er die Klinge hinein. Mahlia schmeckte Stahl an den Zähnen.
    Â» Ich wusste gar nicht, dass sich hier draußen Kollaborateure verstecken « , sagte der Soldat. » Dachte, die hätten wir alle erledigt. «
    Â» Lass sie los, Soa « , sagte eine neue Stimme.
    Der Soldat blickte über die Schulter.
    Â» Ich will bloß ein paar Antworten aus ihr rausholen, Leutnant. «
    Ein weiterer Schatten trat aus der Dunkelheit. Groß und hager, mit hohlen Wangen und leichenblasser Haut. Eine hässliche rosafarbene Narbe verlief quer über die Nase des Mannes. Er hatte graue Augen mit geweiteten Pupillen.
    Â» Was für Antworten? «
    Â» Bisher hat sie noch nichts gesagt. «
    Â» Dann haben wir also bisher nichts erfahren, oder, Gefreiter? «
    Â» Ich hab ja auch noch nicht das Messer benutzt. «
    Â» Ach, und da fängst du bei ihrer Zunge an? «
    Â» Irgendwo muss ich ja anfangen. «
    Einen Moment lang herrschte Stille. Mahlia dachte schon, die beiden würden sich gleich anfangen zu prügeln, aber dann lachte der Leutnant. Er lachte, und Soa grinste, und Mahlia wusste nicht, ob alles womöglich nur ein Scherz gewesen war, ein Katz-und-Maus-Spiel, das irgendwann doch damit enden würde, dass ihr Blut floss.
    Der Leutnant leuchtete ihr mit einer kleinen kurbelbetriebenen LED -Taschenlampe in die Augen. Das grelle Licht tat weh. Sie kniff die Augen zusammen. Er senkte die Taschenlampe ein wenig und beugte sich vor, um sie mit seinen grauen, blutunterlaufenen Augen zu mustern. Er wirkte wie Ende zwanzig.

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