Versunkene Staedte
hartes Gesicht, vom Krieg gezeichnet. » Wenn ich sage, es war ein Schwein, dann war es ein Schwein. «
Mahlia senkte den Blick. Es hatte keinen Sinn, ihm zu widersprechen. Diese Soldaten hatten schon zu viel Blut gesehen. Es kümmerte sie nicht, noch ein wenig mehr davon zu vergieÃen. Sie gegen sich aufzubringen war dumm.
» Gibt es ein Problem, Sergeant Ocho? «
Die Stimme des Leutnants war leise, aber Mahlia lief dennoch eine Gänsehaut über den Rücken. Er sah sie mit seinen leeren grauen Augen an. Anfangs hatte er sie mit seiner bleichen Haut an einen Leichnam erinnert, dann, wegen seiner langen, dünnen GliedmaÃen, an ein Insekt. Plötzlich wusste Mahlia jedoch, was er war: ein Kojwolf. Ein Raubtier. Tödlich und schlau.
Sayle musterte sie immer noch. » Gibt es etwas, das ich wissen sollte? «
Ocho betrachtete Mahlia herablassend. » Nein, Leutnant. Alles im grünen Bereich. «
» Falls doch, sagen Sie Bescheid. «
» Das Chinesenbalg weià schon, was sich gehört. «
Leutnant Sayle beugte sich wieder über seine stockfleckige Karte und gab den anderen Soldaten leise Befehle. Mahlia atmete erleichtert aus. Sie machte mit der Arbeit weiter und wünschte, sie könnte sich beeilen, ohne Aufsehen zu erregen.
Während sie Blätter und Schmutz aus den Wunden herauswusch, musste sie immerzu an die Medikamente denken, die sich über ihr in der Behausung des Arztes befanden. Die Soldaten hatten sie noch nicht gefunden. Der Arzt bewahrte sie in geöltes Leder eingewickelt in einigen ausgehöhlten Büchern auf. Mahlia wusste, wo sie warenâ die Antibiotika, die Mouse die Freiheit erkaufen würden. Wenn sie nur an sie herankäme.
Der Arzt trat zu ihr, eine Nadel und Katzendarm in der Hand. Trotz seiner selbst gebastelten Brille sah er sehr schlecht. Er musste sich tief hinabbeugen, um die Wunden zu begutachten.
» Die Verletzungen könnten schlimmer sein « , sagte er. » Seine Rippen haben einen GroÃteil abgefangen. «
Mahlia deutete auf eine der Wunden. » Das ist die Einzige, die stark blutet. «
» Hmm. « Der Arzt kniff die Augen zusammen. » Da muss eine Schlagader verletzt worden sein. Die kauterisieren wir als Erstes « , sagte er. » Dann nähen wir die Wunde. «
» Siehst du überhaupt was, Alter? « , fragte ihr Patient plötzlich.
Mahlia versuchte, sich an seinen Namen zu erinnern. Sergeant Ocho. » Ich sehe sehr gut « , antwortete sie. » Und ich werde die Wunde nähen. «
» Blut und Rost! Du mit deinem Armstumpf willst die Wunde nähen? «
» Pass auf, was du sagst « , erwiderte Mahlia, » sonst nähe ich dir die Eingeweide zusammen. «
Der Arzt sog geräuschvoll die Luft ein, aber der Patient grinste nur. » Das Chinesenbalg hat Haare auf den Zähnen. «
» Nein, aber eine Nadel in der Hand. «
Mahlia setzte mit ihrer Linken die Nadel an und stach sie durch das Fleisch. Doktor Mahfouz holte sie an der anderen Seite mit dem Katzendarm wieder heraus und reichte sie ihr. Zusammen ergaben sie fast einen ganzen Arzt. Ein weiteres Mal stach sie die Nadel durch das Fleisch.
» Wir haben hier nichts zum Desinfizieren « , sagte der Arzt. » Du wirst die Wunde sauber und trocken halten müssen. «
Ocho blickte wieder starr geradeaus. » Ja. Ich weiÃ. «
Angesichts der vielen Narben auf seinem Körper wusste er wahrscheinlich wirklich, wovon er sprach. Seine dunkle Haut war an zahllosen Stellen aufgerissen und verheilt. Ihm fehlte ein Teil seines Ohrs, und auf seiner Wange befand sich eine kreisrunde Narbeâ ein kleines Loch, das sich wieder geschlossen hatte.
Der Soldat bemerkte Mahlias Blick. » Das war ein Heckenschütze der Gottesarmee « , sagte er. Er öffnete den Mund und zeigte ihr die andere Seite der Narbe. Von seiner rosafarbenen Zunge fehlte ebenfalls ein Stück.
» Ein direkter Durchschuss. Die Kugel hat ein Stück von meiner Zunge weggerissen und ist durch meinen Mund wieder rausgeflogen. Die Zähne sind alle unversehrt geblieben. « Er fletschte das Gebiss. » War ziemlich knapp. Beinahe hätten die Parzen mich erwischt. «
Mahlia hob ihren Armstumpf. » Bei mir auch. «
» Das sieht mir aber nicht so aus, als hättest du besonders viel Glück gehabt. «
» Immerhin hab ich noch meine Linke. «
» Bist du Linkshänderin? «
» Jetzt ja. «
Sie
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