Verteidigung
nicht zu beunruhigen. Ich habe im vergangenen Monat ausgedehnte Verhandlungen mit den Anwälten von Varrick geführt, und wir konnten einen sehr günstigen Vergleich erreichen. Das Unternehmen steht kurz davor, einen Betrag in einer Größenordnung von zwei Millionen für die widerrechtliche Tötung Ihres Ehemanns Percy anzubieten. Das Angebot ist noch nicht offiziell, aber wir erwarten eine schriftliche Bestätigung in den nächsten vierzehn Tagen. Ich weiß, dass das deutlich mehr ist als die eine Million, die ich Ihnen zugesagt hatte; trotzdem brauche ich Ihre Zustimmung, um dieses Angebot anzunehmen, wenn es offiziell wird. Ich bin sehr stolz auf unsere kleine Boutiquekanzlei. Wir sind David gegen Goliath, aber im Augenblick sieht es gut aus für uns.
Bitte unterschreiben Sie das angehängte Formular für die Zustimmung zum Vergleich, und schicken Sie es an mich zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Wallis T. Figg
Rechtsanwalt
Er versandte ähnliche Schreiben an die sieben anderen Mandanten in seiner gehätschelten kleinen Todesfallgruppe, und als er damit fertig war, kippte er seinen verstellbaren Drehsessel nach hinten, legte die nur in Socken steckenden Füße auf den Schreibtisch und sinnierte einmal mehr über Geld nach. Seine Träume wurden jedoch gestört, als sich Rochelle über die interne Leitung meldete.
»Diese Frau ist am Telefon«, sagte sie kurz angebunden. »Tun Sie mir den Gefallen und reden Sie mit ihr, bevor sie mich in den Wahnsinn treibt.«
»Okay«, gab er ebenso knapp zurück, während er das Telefon anstarrte. DeeAnna ließ sich nicht so einfach abschieben. Auf der Rückfahrt vom Lake Michigan hatte er einen Streit vom Zaun gebrochen und die Sache eskalieren lassen, bis sie sich gegenseitig beschimpften. Im Eifer des Gefechts hatte er mit ihr Schluss gemacht, und danach hatten sie zwei friedliche Tage lang nicht miteinander gesprochen. Dann tauchte sie betrunken bei ihm zu Hause auf, und er ließ sich erweichen und erlaubte ihr, auf dem Sofa zu übernachten. Sie zeigte sich so reuig, dass sie ihm geradezu leidtat, und bot ihm alle fünf Minuten irgendwelche sexuellen Leistungen an. Bisher hatte Wally abgelehnt. Jetzt rief sie zu allen Tages- und Nachtzeiten an und kam ein paarmal sogar in die Kanzlei. Aber Wally hatte sich entschieden. Ihm war klar geworden, dass sein Krayoxx-Geld keine drei Monate reichen würde, wenn er DeeAnna nicht aus seinem Leben verbannte.
Er nahm den Hörer ab und meldete sich mit einem barschen »Hallo«. Sie weinte bereits.
Der windige, trübe Montag sollte Zell & Potter noch lange als Labor-Day-Massaker im Gedächtnis bleiben. Der Tag der Arbeit wurde von der Kanzlei nicht eingehalten – schließlich beschäftigte sie keine Arbeiter, sondern Juristen. Nicht dass das eine Rolle gespielt hätte. Feiertage wurden häufig ignoriert, genau wie die Wochenenden. Das Gebäude öffnete früh, und um acht Uhr morgens wimmelte es nur so von Anwälten, die emsig nach fehlerhaften Medikamenten und deren Herstellern suchten.
Manchmal erwies sich dieses Unterfangen jedoch als fruchtlos. Die Fährte verlief im Sande. Der Brunnen war ausgetrocknet.
Der erste Schlag kam um neun Uhr, als Dr. Julian Smitzer, der Leiter der medizinischen Forschungsabteilung der Kanzlei, darauf bestand, Jerry Alisandros zu sprechen, der eigentlich gar keine Zeit hatte, aber nicht Nein sagen konnte, schon gar nicht, wenn seine Sekretärin von einer »dringenden Angelegenheit« sprach.
Dr. Smitzer hatte eine glanzvolle Karriere als Kardiologe und Wissenschaftler an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, hinter sich und war wegen der Erkrankung seiner Frau ins sonnige Südflorida gezogen. Nach einigen Monaten hatte er angefangen, sich zu langweilen. Rein zufällig begegnete er Jerry Alisandros. Ein Treffen führte zum anderen, und so leitete Dr. Smitzer seit fünf Jahren die medizinische Forschung der Kanzlei, zu einem Jahresgehalt von einer Million Dollar. Der Posten war wie geschaffen für ihn, der viel Zeit seines Berufslebens damit verbracht hatte, über die Übel der großen Pharmakonzerne zu schreiben.
In einer Kanzlei, in der es von hyperaggressiven Anwälten nur so wimmelte, war Dr. Smitzer eine Respektsperson. Niemand stellte seine Forschung oder seine Meinung infrage, und seine Arbeit war viel mehr wert, als ihm bezahlt wurde.
»Wir haben ein Problem mit Krayoxx«, sagte er kurz, nachdem er in Alisandros’ pompösem Büro Platz genommen hatte.
Alisandros rang nach
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