Verteidigung
Stimmstressanalyse aufhielt. Aber er setzte das Verfahren schon so lange ein, dass er selbst fast daran glaubte. Alles war ihm recht, solange es ihm einen Vorteil verschaffte, mochte dieser noch so gering sein. Da solche Aufzeichnungen moralisch höchst fragwürdig und in manchen Bundesstaaten sogar verboten waren, würden sie ohnehin nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken.
In den vergangenen fünfzehn Jahren hatte er Varrick mit einer endlosen Reihe von Prozessen überzogen. Dabei hatte er viel über das Unternehmen gelernt. Die Firma war grundsätzlich besser informiert als die Kläger. Sie arbeitete mit Informanten und investierte große Summen in Industriespionage. Reuben Massey kämpfte mit harten Bandagen und gewann meistens den Krieg, selbst wenn er noch so viele Schlachten verlor.
Als er wieder allein in seinem Büro war, tippte Alisandros einen Eintrag in sein privates Tagesprotokoll. »Krayoxx löst sich vor meinen Augen in nichts auf. Habe soeben mit N. Walker gesprochen, der angeblich nächste Woche herkommen will, um eine Vereinbarung zu unterzeichnen. Die Chancen stehen achtzig zu-zwanzig, dass er gar nicht erst auftaucht.«
Iris Klopeck erzählte verschiedenen Freunden und Verwandten von Wallys Brief, und bei der Aussicht auf zwei Millionen gab es sofort Ärger. Clint, ihr Versager von einem Sohn, der sonst tagelang nichts außer gelegentlichen Anschnauzern von sich gab, überhäufte sie plötzlich mit Liebesbeweisen. Er räumte sein Zimmer auf, spülte das Geschirr, erledigte Botengänge für seine geliebte Mutter und quasselte ununterbrochen, wobei sein Lieblingsthema das neue Auto war, das er sich wünschte. Iris’ Bruder, der gerade seine zweite Gefängnisstrafe wegen Motorraddiebstahls abgesessen hatte, strich ihr Haus (ohne etwas für seine Arbeit zu verlangen) und erwähnte dabei immer wieder, wie gern er einen Gebrauchtwarenhandel mit Motorrädern eröffnen würde. Rein zufällig sei ein solches Geschäft für nur einhunderttausend Dollar zu verkaufen.
»Das ist praktisch geschenkt!«, sagte er, was Iris’ Sohn hinter seinem Rücken im Flüsterton mit den Worten »Besser als gestohlen« kommentierte.
Percys furchtbare Schwester Bertha teilte mit, sie habe als Blutsverwandte Anspruch auf einen Anteil. Iris, die die Frau – wie Percy selbst – nicht ausstehen konnte, hatte Bertha bereits daran erinnert, dass sie sich zu Percys Beerdigung nicht hatte blicken lassen. Bertha behauptete jetzt, sie sei an dem Tag im Krankenhaus gewesen. Iris forderte Beweise, und so gab ein Wort das andere.
An dem Tag, als Adam Grand seinen Brief von Wally bekam, fuhr ihn sein Chef im Pizza-Schnellrestaurant völlig grundlos an. Grand, der stellvertretende Restaurantleiter, blaffte zurück, und es kam zu einem hässlichen Streit. Als das Fluchen und Schimpfen verstummte, hatte Grand entweder gekündigt oder war gefeuert worden – ein paar Minuten lang stritten beide darüber, aufweiche Weise er aus dem Unternehmen ausgeschieden war. Im Grunde war es egal, er hatte seinen Job verloren. Selbst das war Grand gleichgültig, weil er bald ein reicher Mann sein würde.
Millie Marino war so klug, den Brief niemandem zu zeigen. Sie las ihn mehrmals, bis ihr seine Bedeutung klar wurde, und es tat ihr fast leid, dass sie an Wallys Fähigkeiten gezweifelt hatte. Nach wie vor kam er ihr nicht besonders vertrauenerweckend vor, und sie ärgerte sich immer noch über das Testament und den Nachlass ihres verstorbenen Gatten, aber das war jetzt nicht mehr so wichtig. Da Chesters Sohn Lyle Anspruch auf seinen Anteil haben würde, hatte er das Verfahren aufmerksam verfolgt. Falls er erfuhr, dass die Auszahlung unmittelbar bevorstand, wurde er vielleicht lästig. Daher schloss Millie den Brief sorgfältig weg und erzählte niemandem davon.
Am 9. September, fünf Wochen nachdem Oscar Justin Bardall in beide Beine geschossen hatte, verklagte Bardall sowohl Oscar persönlich als auch die Kanzlei Finley & Figg. Er machte geltend, bei Oscars Schüssen handele es sich um »Überschreitung der Notwehr«, insbesondere sei der dritte Schuss – der auf das linke Bein – abgegeben worden, als Bardall bereits schwer verletzt gewesen sei und keine Bedrohung mehr dargestellt habe. Es wurde beantragt, die Beklagten wegen Oscars böswilligem Verhalten zur Zahlung von fünf Millionen Dollar für den tatsächlich entstandenen Schaden und von zehn Millionen Dollar als Schadenersatz mit Strafcharakter zu
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