Verteidigung
Kampf gegen die Schwerkraft verloren. Sein Kopf lag wieder auf der Theke.
»Wer ist der Kerl?«, fragte David.
»Er heißt Eddie. Seinem Bruder gehört die Hälfte der Bar, daher lässt er anschreiben, zahlt aber nie. Ich habe den Kerl so satt.« Abner ging zu Eddie und sprach ihn an, doch er antwortete nicht. Schließlich nahm Abner die Kaffeetasse und wischte um Eddie herum die Theke. Langsam arbeitete er sich bis zu David vor.
»Sie verzichten also auf dreihunderttausend im Jahr«, sagte Abner. »Wie sieht Ihr Plan aus?«
David lachte zu laut. »Mein Plan? So weit bin ich noch nicht. Vor zwei Stunden bin ich wie immer zur Arbeit erschienen; jetzt steuere ich geradewegs auf einen Nervenzusammenbruch zu.« Noch ein Schluck. »Mein Plan sieht so aus: Ich werde hier sitzen bleiben und versuchen, meinen Nervenzusammenbruch zu analysieren. Helfen Sie mir dabei?«
»Das gehört zu meinen Aufgaben.«
»Ich zahle meine Rechnung. Versprochen. Und die von Eddie auch.«
»Hört sich gut an.«
»Noch ein Bier, bitte.«
4
Nachdem Rochelle Gibson etwa eine Stunde lang Zeitung gelesen, Joghurt gegessen und Kaffee getrunken hatte, machte sie sich widerstrebend an die Arbeit. Ihre erste Aufgabe bestand darin, in der Mandantenkartei nach einem gewissen Chester Marino zu suchen, der jetzt im Bestattungsinstitut Van Easel & Sons in einem Bronzesarg der unteren Preisklasse ruhte. Oscar hatte recht. Vor sechs Jahren hatte die Kanzlei ein Testament für Mr. Marino aufgesetzt. Sie fand die dünne Akte im Abstellraum neben der Küche und brachte sie Wally, der an seinem überfüllten Schreibtisch saß und fleißig arbeitete.
Das Büro von Wallis T. Figg war früher ein Schlafzimmer gewesen. Nachdem im Laufe der Jahre Wände und Türen versetzt worden waren, hatte sich die Grundfläche etwas vergrößert. Nichts deutete noch daraufhin, dass der Raum einmal als Schlafzimmer genutzt worden war, doch viel Ähnlichkeit mit einem Büro hatte er auch nicht. Direkt hinter der Tür waren die Wände knapp vier Meter voneinander entfernt, dann machte der Grundriss einen Knick nach rechts zu einem größeren Bereich, in dem Wally an einem pseudomodernen Schreibtisch im Fünfzigerjahrestil saß, den er bei einem Ausverkauf nach einem Brandschaden billig erstanden hatte. Der Schreibtisch war mit Stapeln von Aktenmappen, gefüllten Notizblöcken und Hunderten Telefonnachrichten übersät und vermittelte dem Betrachter, der es nicht besser wusste – was potenzielle Mandanten einschloss –, den Eindruck, der Mann dahinter wäre überaus beschäftigt und vielleicht sogar wichtig.
Wie immer ging Ms. Gibson langsam auf den Schreibtisch zu, wobei sie darauf achtete, nicht gegen die schwankenden Stapel aus juristischen Fachbüchern und alten Akten zu stoßen, die den Weg säumten. Sie gab Wally die Akte und sagte: »Wir haben ein Testament für Mr. Marino gemacht.«
»Danke. Sind Vermögenswerte vorhanden?«
»Ich habe nicht nachgesehen«, erwiderte sie, schon auf dem Rückzug. Sie ging, ohne noch etwas zu sagen.
Wally schlug die Akte auf. Vor sechs Jahren hatte Mr. Marino als Buchprüfer für den Bundesstaat Illinois gearbeitet, siebzigtausend Dollar im Jahr verdient und mit seiner zweiten Frau und deren beiden Kindern im Teenageralter ein ruhiges Leben am Stadtrand geführt. Er hatte gerade die Hypothek für das Haus abbezahlt, das der einzige größere Vermögensgegenstand war. Das Ehepaar hatte gemeinsame Bankkonten und Pensionsrücklagen und kaum Schulden. Das einzig Ungewöhnliche an dem Testament war eine Sammlung von dreihundert Baseballkarten, deren Wert Mr. Marino auf dreihunderttausend Dollar schätzte. Seite vier der Akte bestand aus der Kopie einer Karte von Shoeless Joe Jackson im Dress der White Socks aus dem Jahr 1916, auf die Oscar Fünfundsiebzigtausend Dollar geschrieben hatte. Oscar machte sich nichts aus Sport, und Wally gegenüber hatte er dieses kleine Kuriosum nie erwähnt. Mr. Marino hatte ein einfaches Testament unterschrieben, das er ohne Weiteres auch selbst hätte aufsetzen können, doch stattdessen hatte er Finley & Figg zweihundertfünfzig Dollar für diesen kleinen Dienst gezahlt. Während Wally das Testament las, wurde ihm klar, dass das Testament lediglich den Zweck hatte, die Baseballkartensammlung vor dem Zugriff der beiden Stiefkinder zu schützen, da sich alle anderen Vermögenswerte im gemeinsamen Besitz der Eheleute befanden. Mr. Marino vermachte sie seinem Sohn Lyle. Auf Seite fünf hatte Oscar
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