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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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verabschiedet hatte, lag sie noch im Bett. Nachdem er am Abend zuvor um 22.05 Uhr heimgekommen war, hatten sie einen Rest Lasagne vor dem Fernseher gegessen, bevor er auf dem Sofa eingeschlafen war. Helen war zwei Jahre älter als er und wollte unbedingt schwanger werden, was angesichts der Dauermüdigkeit ihres Mannes allerdings immer unwahrscheinlicher wurde. In der Zwischenzeit machte sie ihren Doktor in Kunstgeschichte, beeilte sich aber nicht sonderlich damit.
    Das Mobiltelefon piepste leise. Sie hatte ihm eine SMS geschickt. »Wo bist du? Alles okay? Bitte melde dich.«
    David zog es vor, erst in ein paar Stunden mit ihr zu reden, denn er würde zugeben müssen, dass er dem Druck nicht mehr standhalten konnte, woraufhin sie verlangen würde, dass er sich professionelle Hilfe holte. Ihr Vater war Psychiater, ihre Mutter Eheberaterin und die ganze Familie der festen Überzeugung, dass sämtliche Probleme und Mysterien mit ein paar Stunden Therapie zu lösen wären.
    Doch da er den Gedanken nicht ertrug, dass sie sich um ihn sorgte, schickte er ihr eine SMS. »Mir geht’s gut. Ich musste für eine Weile aus dem Büro. Bin okay. Mach dir keine Sorgen.«
    Die Zwiebeln kamen, ein riesiger Haufen goldbrauner Ringe, umhüllt von schwerem, fettigem Teig, frisch aus der Fritteuse. Abner stellte sie vor David und sagte: »Die sind wirklich gut. Was halten Sie von einem Glas Wasser?«
    »Ein Bier wäre mir jetzt lieber.«
    »In Ordnung.« Abner nahm ein Bierglas und ging zum Zapfhahn.
    »Meine Frau sucht mich«, sagte David. »Sind Sie verheiratet?«
    »Fragen Sie lieber nicht.«
    »Tut mir leid. Meine Frau ist großartig. Sie will ein Kind, aber es sieht nicht so aus, als würden wir es hinbekommen. Letztes Jahr habe ich viertausend Stunden gearbeitet. Ist das nicht unglaublich? Viertausend Stunden. In der Regel bin ich um sieben Uhr morgens im Büro und bleibe bis zehn Uhr abends. Das ist ein normaler Arbeitstag, aber es ist auch nicht ungewöhnlich, dass ich bis nach Mitternacht arbeite. Daher schlafe ich sofort ein, wenn ich nach Hause komme. Letzten Monat hatten wir, meine ich, einmal Sex. Schwer zu glauben. Ich bin einunddreißig. Sie ist dreiunddreißig. Wir sind beide im besten Alter und wollen schwanger werden, aber ich schaffe es einfach nicht, wach zu bleiben.« Er machte den Ketchup auf und kippte ein Drittel der Flasche auf sein Essen.
    Abner stellte ein eiskaltes Pint Lager vor ihn. »Wenigstens verdienen Sie eine Menge Kohle.«
    David schälte einen Zwiebelring, tunkte ihn in Ketchup und steckte ihn sich in den Mund. »O ja, sie bezahlen mich gut. Warum würde ich mich derart misshandeln lassen, wenn sie mich nicht gut bezahlen würden?« Er sah sich um und vergewisserte sich, dass niemand zuhörte – natürlich nicht, sie waren allein. Er senkte die Stimme, während er auf dem Zwiebelring herumkaute. »Ich bin Senioranwalt, seit fünf Jahren dabei, letztes Jahr habe ich dreihunderttausend verdient. Vor Steuern. Das ist eine Menge Geld, und da ich keine Zeit habe, es auszugeben, liegt es auf der Bank und wird immer mehr. Aber jetzt rechnen Sie mal nach: Ich habe viertausend Stunden gearbeitet, doch nur dreitausend Stunden abgerechnet. Dreitausend Stunden, so viel wie kein anderer in der Kanzlei. Der Rest ist für Firmenaktivitäten und Pro-bono-Mandate draufgegangen. Können Sie mir folgen, Abner? Sie sehen irgendwie gelangweilt aus.«
    »Ich höre Ihnen zu. Sie sind nicht der erste Anwalt, den ich hier als Gast habe. Ich weiß, wie langweilig ihr seid.«
    David trank einen großen Schluck Lager und schmatzte. »Es gefällt mir, dass Sie so direkt sind.«
    »Ich mache nur meine Arbeit.«
    »Die Kanzlei stellt dem Mandanten für meine Arbeit fünfhundert Dollar die Stunde in Rechnung. Multipliziert mit dreitausend. Das sind 1,5 Millionen für Rogan Rothberg, und mir zahlen sie lumpige dreihunderttausend. Multiplizieren Sie das mit sechshundert Anwälten, die alle in etwa das Gleiche tun wie ich, dann verstehen Sie, warum so viele intelligente junge Menschen Jura studieren: Sie wollen für eine große Kanzlei arbeiten und träumen davon, irgendwann Partner und damit reich zu werden. Langweile ich Sie?«
    »Nein. Das ist alles sehr spannend.«
    »Möchten Sie einen Zwiebelring?«
    »Nein, danke.«
    David steckte sich noch einen großen Zwiebelring in den ausgetrockneten Mund und spülte ihn mit einem halben Pint hinunter. Vom anderen Ende der Bar drang ein dumpfer Knall zu ihnen. Der Betrunkene hatte den

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