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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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den Lake Michigan hinausblickte. Der Pfleger ging und ließ sie allein.
    »Wieso der Rollstuhl?«, fragte David und ließ sich auf ein Ledersofa fallen.
    »Ich bin sediert.« Wally sprach langsam und leise. »Die ersten Tage bekommt man Tabletten, um den Entzug abzumildern. Wenn ich aufstehe, besteht die Gefahr, dass ich hinfalle und mir den Schädel oder sonst was breche.«
    Vierundzwanzig Stunden nach seiner dreitägigen Sauftour wirkte Wally nach wie vor ziemlich mitgenommen. Seine Augen waren rot und aufgedunsen, sein Gesicht wirkte traurig und niedergeschlagen. Außerdem musste er dringend zum Friseur. »Möchten Sie wissen, wie die Verhandlung läuft, Wally?« Eine kleine Verzögerung, während die Information verarbeitet wurde. »Ja, da mache ich mir schon Gedanken.«
    »Sie machen sich Gedanken? Das ist aber nett von Ihnen. Morgen dürfte der letzte Tag sein. Unsere Seite besteht aus mir und meiner lieben Frau, die die Anwaltsassistentin spielt und es schon nicht mehr mit ansehen kann, wie ihr Ehemann zu Kleinholz verarbeitet wird. Auf der anderen Seite sitzt eine Meute Anzugträger, die jeden Tag mehr zu werden scheinen und deren Dreh- und Angelpunkt die wunderbare Nadine Karros ist – und die Dame ist noch besser als ihr Ruf, das können Sie mir glauben, Wally.«
    »Und der Richter wollte keinen Aufschub gewähren?«
    »Warum sollte er, Wally? Bis wann und warum? Was bitte würden uns dreißig oder auch sechzig Tage bringen? Sollen wir einen echten Prozessanwalt für die Verhandlung engagieren? Ich kann mir das Gespräch lebhaft vorstellen: Ja, genau, wir versprechen Ihnen einhunderttausend Dollar und die Hälfte unseres Anteils, wenn Sie mit völlig unzureichenden Fakten eine desinteressierte Mandantin vor einem Richter vertreten, der nicht die geringsten Sympathien für uns hegt, und zwar gegen eine brillante Beklagtenvertretung, die über unbegrenzte finanzielle und personelle Mittel verfügt, und ein mächtiges Großunternehmen als Beklagte. Wem wollen Sie das verkaufen, Wally?«
    »Sie sind wohl ganz schön wütend.«
    »Nein, ich bin nicht wütend, ich muss nur mal schimpfen, meckern, Luft ablassen.«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
    »Ich habe um einen Aufschub gebeten, und ich glaube, Seawright hätte ihn mir auch gewährt, aber wozu? Niemand weiß, wann Sie zurückkommen. Oscar ist vermutlich endgültig aus dem Spiel. Also haben wir uns darauf geeinigt, die Sache hinter uns zu bringen.«
    »Es tut mir leid.«
    »Mir auch. Ich komme mir vor wie ein kompletter Idiot: keine Beweise, keine Ahnung, nichts in der Hand, nichts zu sagen. Es ist durch und durch frustrierend.«
    Wally ließ das Kinn auf die Brust sinken und schien in Tränen ausbrechen zu wollen. Stattdessen murmelte er nur vor sich hin. »Es tut mir so leid, so leid.«
    »Ist ja gut, Wally, mir tut es auch leid. Ich bin aber nicht hier, um Sie zur Schnecke zu machen. Ich wollte sehen, wie es Ihnen geht. Ich mache mir Sorgen um Sie, genau wie Rochelle und Oscar. Sie sind krank, und wir wollen Ihnen helfen.«
    Als Wally aufsah, waren seine Augen feucht, und seine Unterlippe zitterte. »Ich kann nicht mehr. Ich dachte, ich hätte es im Griff, das schwöre ich Ihnen. Ein Jahr, zwei Wochen, zwei Tage, und dann passiert was, und alles ist vorbei. Montagvormittag im Gericht war ich ein nervliches Wrack, ich hatte panische Angst und konnte plötzlich nur noch ans Trinken denken. Ich weiß noch, wie ich mir eingeredet habe, mit ein paar Drinks wäre die Sache erledigt. Zwei Bier auf die Schnelle, um die Nerven zu beruhigen. Alkohol ist eine einzige Lüge. In der Mittagspause habe ich sofort das Gebäude verlassen und mir schnurstracks ein kleines Lokal mit einem Brauereischild im Fenster gesucht. Ich habe mir einen Tisch gesucht, ein Sandwich bestellt, drei Bier dazu getrunken – einfach köstlich. Und wie gut ich mich danach gefühlt habe! Als ich wieder im Gericht war, dachte ich immer noch, ich hätte die Sache im Griff. Ich könnte trinken, ohne dass es aus dem Ruder läuft. Alles unter Kontrolle, verstehen Sie? Kein Problem. Und sehen Sie mich jetzt an. Wieder auf Entzug und völlig am Ende.«
    »Wo ist Ihr Auto, Wally?«
    Wally überlegte lange und gab schließlich auf. »Keine Ahnung. Ich hatte einen Filmriss nach dem anderen.«
    »Keine Sorge. Ich finde es.«
    Wally fuhr sich mit dem Handrücken über die Wangen und putzte sich die Nase am Ärmel ab. »Es tut mir leid. Ich dachte, wir hätten eine Chance.«
    »Wir hatten nie eine

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