Verteidigung
Chance. Das Medikament ist völlig in Ordnung. Wir haben uns von einer Massenhysterie anstecken lassen und zu spät gemerkt, dass wir uns verrannt haben.«
»Aber der Prozess ist noch nicht vorbei, oder?«
»Der Prozess ist vorbei, aber die Anwälte müssen ihre Show noch durchziehen. Morgen haben die Geschworenen das letzte Wort.«
Einige Minuten lang herrschte Schweigen. Wallys Augen wurden klarer, aber er wagte es kaum, David anzusehen.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte er schließlich leise. »Danke, dass Sie sich um mich, Oscar und Rochelle kümmern. Ich hoffe, Sie bleiben bei uns.«
»Darüber reden wir später. Werden Sie erst einmal gesund, und bringen Sie den Entzug hinter sich. Ich sehe nächste Woche nach Ihnen, dann organisieren wir eine Kanzleibesprechung und treffen Entscheidungen.«
»Klingt gut. Eine Kanzleibesprechung wäre schön.«
45
Emma hatte eine schlechte Nacht und wurde von ihren Eltern, die sich stündlich abwechselten, in der Wohnung herumgetragen. Als Helen sie um 5.30 Uhr abgab und sich wieder ins Bett legte, war ihre Karriere als Anwaltsassistentin beendet. Abgesehen von den Mittagessen mit David war es keine angenehme Erfahrung gewesen, und jetzt musste sie sich um ihr krankes Baby kümmern. David gelang es, Emma mit einem Fläschchen zu beruhigen. Während sie trank, ging er ins Internet. Die Varrick-Aktie hatte am Donnerstagnachmittag mit vierzig Dollar geschlossen. Der stete Kursanstieg war ein weiterer Beleg dafür, wie schlecht das Klopeck-Verfahren für die Klägerin lief, was ihm allerdings ohnehin klar war. Wie üblich konnte er seiner Neugier nicht widerstehen und las, was »Der letzte Geschworene« zu sagen hatte:
Im vermutlich einseitigsten Verfahren in der Geschichte der nordamerikanischen Rechtsprechung geht es für die Vertretung des verstorbenen und nun übel geschmähten Percy Klopeck rapide bergab. Klopecks glückloser und absolut unfähiger Anwalt, der von den Varrick-Anwälten völlig überrollt wird, könnte einem fast leidtun. Aber nur fast. Die Frage, die nicht mehr von der Hand zu weisen ist, lautet: Wie konnte diese fadenscheinige Klage jemals eingereicht und nicht nur zugelassen, sondern auch noch vor einem Geschworenengericht verhandelt werden? Eine himmelschreiende Verschwendung von Zeit, Geld und Kompetenz. Die Kompetenz ist allerdings ausschließlich aufsehen der Beklagten. Auf der anderen Seite des Saals kann davon keine Rede sein, die geniale Strategie des durch und durch ahnungslosen David Zinc besteht darin, sich unsichtbar zu machen. Bisher hat er nicht einen einzigen Zeugen ins Kreuzverhör genommen. Er hat nicht ein einziges Mal Einspruch erhoben. Er hat keinen einzigen Antrag gestellt. Er sitzt stundenlang einfach nur da, tut so, als würde er sich Notizen machen, und tauscht Zettelchen mit seiner neuen Anwaltsassistentin aus, einer attraktiven Dame im Minirock, deren wohlgeformte Beine davon ablenken sollen, dass die Klage völlig unbegründet ist und der Anwalt keine Ahnung hat. Was die Geschworenen nicht wissen, ist, dass es sich bei der neuen Kraft um Helen Zinc handelt, Ehefrau des Versagers, hinter dem sie sitzt. Dieses Betthäschen, das weder als Anwaltsassistentin qualifiziert ist noch irgendwelche Erfahrung vor Gericht besitzt, passt hervorragend ins Gesamtbild von Finley & Figg. Ihr Auftritt zielt offenbar darauf ab, die männlichen Geschworenen für sich zu gewinnen, und soll die überwältigende Präsenz von Nadine Karros ausgleichen, der vielleicht effizientesten Prozessanwältin, die dem letzten Geschworenen je begegnet ist.
Hoffen wir, dass heute der Gnadenstoß kommt. Und vielleicht ist Richter Seawright so mutig, wegen dieser offensichtlich unbegründeten Klage Sanktionen zu verhängen.
David zuckte so heftig zusammen, dass er Emma zwickte, die einen Augenblick lang aufhörte zu trinken. Er klappte seinen Laptop zu und verfluchte sich, weil er sich das Blog überhaupt angesehen hatte. Nie wieder, schwor er sich, nicht zum ersten Mal.
Nachdem sie das Urteil so gut wie in der Tasche hatte, erhöhte Nadine Karros den Druck. Ihr erster Zeuge am Freitagvormittag war Dr. Mark Ulander, Vorstandsmitglied und Forschungsleiter von Varrick. Drehbuchgemäß war das Grundsätzliche schnell geklärt. Ulander besaß drei Hochschulabschlüsse und war seit zweiundzwanzig Jahren für die Entwicklung unzähliger Medikamente bei Varrick verantwortlich. Krayoxx sei seine größte Leistung. Das Unternehmen habe bis zur
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