Verteidigung
flattert dieses Memo auf Ihren Schreibtisch. Sehen Sie sich den letzten Absatz auf Seite zwei an. Würden Sie ihn den Geschworenen bitte vorlesen, Dr. Ulander?«
Der Zeuge hatte offensichtlich nicht die geringste Lust, irgendetwas vorzulesen, aber er rückte seine Brille zurecht und begann. »›Die Patienten nehmen seit sechs Wochen zweimal täglich vierzig Milligramm Klyvale. Bei zweiundsiebzig Prozent wurde sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck gesenkt. Die Nebenwirkungen sind bedenklich. Die Patienten klagen über Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, und viele, rund zwanzig Prozent, leiden unter Kopfschmerzen, die so stark sind, dass das Medikament abgesetzt werden muss. Nachdem ich die Ergebnisse mit anderen medizinisch-technischen Mitarbeitern hier in Nairobi besprochen habe, rate ich dringend dazu, die Prüfling von Klyvale auszusetzend«
»Und wurden die klinischen Studien ausgesetzt, Dr. Ulander?«
»Nein, wurden sie nicht.«
»Gab es aus dem Feld noch weitere Berichte dieser Art?«
Ulander seufzte und sah hilflos zum Tisch der Beklagtenvertretung.
»Ich habe Kopien der anderen Berichte hier, Dr. Ulander, falls Sie eine Gedächtnisstütze benötigen«, erklärte David hilfsbereit.
»Ja, es gab andere Berichte«, bestätigte Ulander.
»Arbeitet diese Darlene Ainsworth noch bei Varrick?«
»Ich glaube nicht.«
»Heißt das Ja oder Nein?«
»Nein, sie ist nicht mehr im Unternehmen.«
»Ist es richtig, dass ihr, einen Monat nachdem sie Ihnen dieses Memo über die verheerenden Nebenwirkungen von Klyvale geschickt hatte, gekündigt wurde?«
»Ich habe ihr nicht gekündigt.«
»Aber ihr wurde von Varrick gekündigt?«
»Die genauen Umstände ihres Ausscheidens aus dem Unternehmen sind mir nicht präsent. Möglicherweise ist sie von sich aus gegangen.«
David trat erneut zu seinem Tisch und griff nach einem dicken Dokument. Er sah Richter Seawright an. »Euer Ehren, das ist Dr. Ulanders Aussage aus dem Klyvale-Prozess vor zwei Jahren. Darf ich sie benutzen, um Dr. Ulanders Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen?«
»Jetzt beantworten Sie endlich die Frage«, fuhr der Richter den Zeugen gereizt an. »Wurde dieser Mitarbeiterin, einen Monat nachdem sie Ihnen dieses Memo geschickt hatte, von Varrick gekündigt?«
Nach dem Tadel des Richters konnte sich Dr. Ulander schlagartig wieder erinnern. »Ja, ihr wurde gekündigt.«
»Danke«, sagte der Richter.
David sah die Geschworenen an, als er weitersprach. »Trotz der Warnungen aus dem Feld trieb Varrick das Zulassungsverfahren also weiter voran und erhielt 2005 die Zulassung durch die FDA, richtig?«
»Das Medikament wurde 2005 zugelassen.«
»Und sobald es zugelassen war, wurde es von Varrick in den Vereinigten Staaten aggressiv vermarktet, nicht wahr, Dr. Ulander?«
»Mit dem Marketing habe ich nichts zu tun.«
»Aber Sie sitzen im Vorstand?«
»Ja.«
»Dann war plötzlich die Hölle los. 2005 reichten mindestens achttausend Patienten Klage ein, die mit dem Medikament behandelt worden waren und unter starker Migräne und anderen Nebenwirkungen litten. Ist das richtig, Dr. Ulander?«
»Diese Zahlen liegen mir nicht vor.«
»Nun, wir wollen nicht kleinlich sein. Lassen Sie mich die Sache abkürzen. Hat Ihr Unternehmen irgendwo in den Vereinigten Staaten einen Prozess geführt, um Ansprüche wegen des Medikaments Klyvale abzuwehren?«
»Einen.«
»Und Varrick hat sich letzte Woche in fünfundzwanzig anderen Verfahren auf einen Vergleich geeinigt?«
Nadine meldete sich wieder zu Wort. »Einspruch, Euer Ehren. Vergleiche in anderen Verfahren sind für diese Sache nicht von Belang. Mr. Zinc geht zu weit.«
»Das entscheide immer noch ich, Ms. Karros. Aber ich gebe Ihrem Einspruch statt. Mr. Zinc, ich will nichts mehr von anderen Vergleichen hören.«
»Danke, Euer Ehren. Dr. Ulander, erinnern Sie sich an das Varrick-Medikament Rebax?«
Ulander seufzte erneut und musterte angelegentlich seine Füße. David fischte aus den Unterlagen auf seinem Tisch einen weiteren Stapel Memos aus Varricks Schmutzwäsche.
Bald war klar, dass das Migränemittel Rebax erstens den Blutdruck dramatisch in die Höhe trieb, dass es zweitens an Migränepatienten in Afrika und Indien erprobt worden war, dass drittens Varrick von den Nebenwirkungen wusste und versuchte, diese geheim zu halten, dass viertens die Prozessanwälte in den deswegen angestrengten Verfahren verräterische interne Memos aufgespürt hatten, dass fünftens die FDA das
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