Verteidigung
das urkomisch. Die beiden konnten kaum glauben, dass er sogar Helen rekrutiert hatte. Als er die Gesichter der Geschworenen beim Anblick von Iris’ Video beschrieb, tupfte sich Rochelle die Augen mit einem Papiertaschentuch ab.
»Und trotz meiner brillanten Leistung haben die Geschworenen ihr Urteil in nur siebzehn Minuten gefällt.«
Dann wurden sie wieder ernst und sprachen über ihren Kampfgefährten Wally, der für den Augenblick außer Gefecht gesetzt war. Sie redeten über Rechnungen, ihren Kreditrahmen, die trüben Zukunftsaussichten.
Oscar schlug vor, bis Montag nicht mehr darüber nachzudenken. »Uns fällt schon was ein«, sagte er.
David und Rochelle fanden ihn erstaunlich rücksichtsvoll und freundlich. Vielleicht hatten ihm der Herzinfarkt und die Operation die eigene Sterblichkeit vor Augen geführt und damit einen Sinneswandel ausgelöst. Der alte Oscar hätte über Wally geschimpft und wegen des drohenden finanziellen Ruins mit dem Schicksal gehadert, der neue schien die Lage merkwürdig optimistisch zu sehen.
Es war das angenehmste Gespräch, das David in der Kanzlei je geführt hatte, aber nach einer Stunde musste er los. Seine Anwaltsassistentin wartete mit dem Essen auf ihn und wollte hören, wie es in der Verhandlung gelaufen war.
47
Über das Wochenende erledigte David dies und jenes im Haus, machte Besorgungen für Helen, schob Emma im Kinderwagen durch das Viertel, wusch und polierte beide Autos und behielt die Online-Reaktion auf den Prozess und Varricks großen Sieg im Auge. In der Sun-Times vom Samstag war beides in einem kurzen Artikel erwähnt, die Tribune äußerte sich nicht dazu. In den Online-Publikationen waren die Nachbeben jedoch deutlich zu spüren. Die PR-Maschinerie von Varrick lief auf Hochtouren, und das Urteil wurde als vollständige Rehabilitierung von Krayoxx beschrieben. CEO Reuben Massey wurde überall zitiert, wie er das Medikament pries, die Sammelklagenanwälte in Grund und Boden verdammte, damit drohte, »diese Leichenfledderer« vor jedem Gericht der Welt vernichtend zu schlagen, die Weisheit der Geschworenen von Chicago lobte und lautstark mehr Gesetze forderte, die unschuldige Unternehmen vor leichtfertig eingereichten Klagen dieser Art schützten. Jerry Alisandros war nicht zu sprechen. Überhaupt wollte sich keiner der Anwälte äußern, die Varrick Labs verklagt hatten.
»Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte hat es der gesamten Sammelklagenanwaltschaft die Sprache verschlagen«, stellte ein Journalist fest.
Der Anruf kam am Sonntag um vierzehn Uhr. Dr. Biff Sandroni hatte die Nasty-Teeth-Proben am Freitagmorgen per FedEx bekommen, etwa um die Zeit, als David sich Dr. Ulander im Zeugenstand vorknöpfte. Wie versprochen, hatte er die Muster sofort untersucht.
»Sie sind identisch, David, alle sind mit derselben bleihaltigen Farbe beschichtet. In hohem Maße giftig. Den Prozess haben Sie so gut wie gewonnen. Eindeutiger geht’s nicht.«
»Bis wann können Sie das Gutachten erstellen?«
»Sie bekommen es morgen per E-Mail.«
»Danke, Biff.«
»Viel Erfolg!«
Eine Stunde später packten David und Helen Emma in den Kindersitz und fuhren nach Waukegan. Sie wollten nach Wally sehen, außerdem schlief die Kleine im Auto am besten.
Nach vier Tagen ohne Alkohol wirkte Wally erholt und wollte nur noch weg. David berichtete kurz über die Verhandlung, wobei er, da er sich nicht wiederholen wollte und ihm nicht zum Lachen zumute war, die Teile wegließ, die Oscar und Rochelle am Freitagnachmittag so witzig gefunden hatten. Wally entschuldigte sich immer wieder, bis David ihn bat, damit aufzuhören.
»Es ist vorbei, Wally. Wir müssen nach vorn blicken.«
Sich die Krayoxx-Mandanten vom Hals zu schaffen konnte problematisch werden. Aber sie hatten keine Wahl, und ihre Entscheidung war endgültig. Mit Krayoxx und Varrick waren sie fertig.
»Ich habe hier nichts mehr verloren«, sagte Wally. Die beiden Männer standen allein am Ende des Gangs, Helen war mit dem schlafenden Baby im Auto geblieben.
»Was sagt Ihr Betreuer?«
»Von dem habe ich allmählich die Nase voll. Ich hatte einen Rückfall, weil ich dem Druck nicht gewachsen war, das ist alles. Mittlerweile zähle ich nur noch die Tage. Ich werde sofort wieder zu den Anonymen Alkoholikern gehen und kann nur hoffen und beten, dass ich diesmal durchhalte. Glauben Sie mir, David, ich will kein Säufer sein. Wir haben viel zu tun, da muss ich nüchtern bleiben.«
Nachdem jeder zusätzliche Tag
Weitere Kostenlose Bücher