Verteidigung
Aufmerksamkeit weg von den unerfreulichen Tests, über die Mr. Zinc gesprochen hatte, und wieder auf Krayoxx zu lenken. Sie verteidigte Varrick leidenschaftlich und erinnerte die Geschworenen an all die bekannten und bewährten Medikamente, die das Unternehmen der Welt beschert habe. Dazu gehöre auch Krayoxx, das diese Woche unbeschadet überstanden habe, weil es der Klägerpartei jämmerlich misslungen sei, irgendeine schädliche Wirkung des Medikaments nachzuweisen. Ja, sie und Varrick hätten siebenundzwanzig Sachverständige aufgeboten, aber das tue nichts zur Sache. Viel wichtiger sei, dass der Sachverständigenbeweis der Klägerpartei, die das Verfahren angestrengt habe und bei der damit die Beweislast liege, völlig substanzlos gewesen sei.
David konnte ihre Leistung nur bewundern. Sie war kompetent, beherrschte ihren Job, und ihre Erfahrung als Prozessanwältin war unübersehbar – sie war im Gerichtssaal zu Hause, fand stets den richtigen Ton und die passenden Worte, ließ die Geschworenen lächelnd spüren, dass sie ihnen voll und ganz vertraute. Den Geschworenen war anzusehen, dass dieses Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruhte.
David verzichtete auf eine Erwiderung. Richter Seawright begann sofort damit, die Anweisungen an die Geschworenen zu verlesen, immer der langweiligste Teil der Verhandlung. Um 15.30 Uhr wurden die Geschworenen aus dem Saal geführt, um ihre Beratungen zu beginnen. Weil er keine Zeit verlieren wollte, trug David schon einmal einen großen Karton mit Dokumenten zu seinem in der Tiefgarage parkenden Wagen. Im Aufzug auf dem Rückweg in den zweiundzwanzigsten Stock vibrierte sein Handy. Es war eine SMS: »Die Geschworenen haben ihre Beratungen beendet.«
»Das ging ja schnell«, flüsterte er lächelnd vor sich hin.
Als im Sitzungssaal Ruhe eingekehrt war, brachte ein Gerichtsdiener die Geschworenen herein. Der Sprecher reichte dem Urkundsbeamten das schriftliche Urteil, dieser gab es an Richter Seawright weiter.
»Das Urteil der Geschworenen entspricht den Anforderungen«, stellte dieser fest.
Das Urteil wurde dem Sprecher zurückgegeben; dieser erhob sich und las vor. »Wir, die Geschworenen, entscheiden zugunsten der Beklagten Varrick Labs.«
Im Sitzungssaal zeigte sich keine Reaktion. Richter Seawright absolvierte die übliche Routine und entließ die Geschworenen.
David hatte keine Lust, zu warten, bis er mit freundlich gemeinten Kommentaren wie »Gute Arbeit«, »Schlechte Karten« oder »Viel Glück fürs nächste Mal« bedacht wurde. Sobald der Richter mit dem Hammer auf den Tisch schlug und die Sitzung aufhob, schnappte er sich seinen schweren Aktenkoffer und flitzte aus dem Raum. Er schaffte es vor der Menge in den Gang und war schon auf dem Weg zum Auto, als er aus dem Augenwinkel einen wohlbekannten blauen Pulli die Toilette betreten sah. Er folgte ihm und sah sich aufmerksam um – er war mit Aaron Deentz allein.
David wusch sich die Hände und wartete, dass Deentz am Urinal fertig war. »Sie sind ›Der letzte Geschworenes stimmt’s?«, fragte er, als Deentz sich umdrehte.
Der Entlarvte erstarrte. »Na und?«, fragte er höhnisch.
David holte mit der Rechten aus und traf mit voller Wucht den fleischigen Kiefer des letzten Geschworenen, der zu geschockt war, um zu reagieren. Er stöhnte, als der Kiefer knackste. David setzte mit einem schnellen linken Haken auf die Nase nach. Deentz ging zu Boden.
»Das ist für das Betthäschen, du Arschloch!«
Als David aus der Toilette kam, näherte sich vom anderen Ende des Gangs eine größere Gruppe. Er ergriff die Flucht und verließ das Gebäude überstürzt. Nach einem kurzen Spurt über die Straße zur Parkgarage blieb er mit verriegelten Türen im Auto sitzen und holte erst einmal tief Luft. »Du Idiot!«, sagte er zu sich selbst.
Auf einem Umweg traf David schließlich am späten Freitagnachmittag in der Kanzlei ein. Zu seiner Überraschung saß Oscar am Tisch und trank mit Rochelle eine Limo. Er wirkte dünn und blass, lächelte aber und meinte, ihm gehe es gut. Mit ärztlicher Erlaubnis durfte er täglich zwei Stunden arbeiten und konnte es angeblich gar nicht erwarten, wieder loszulegen.
David lieferte einen extrem verkürzten Bericht der Verhandlung. Seine Imitation von Dr. Borsows russischem Akzent erregte große Heiterkeit. Wenn schon alle anderen über Finley & Figg lachten, wollten sie selbst sich auch mal amüsieren. Als er seine verzweifelte Suche nach Dr. Threadgill beschrieb, fanden sie auch
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