Verteidigung
Preston, Beech und Thirty-eighth, die Stelle, an der er diesem Kotzbrocken Gholston mit einem Stück Metall gedroht und ihn in die Flucht geschlagen hatte. Hinter der Kreuzung lag ein weiterer Block mit umgebauten Bungalows.
Trotzdem gefiel David die Aussicht. Sie stand für einen aufregenden Umbruch in seinem Leben, für eine neue Herausforderung. Sie bedeutete Freiheit.
Alle zehn Minuten kam Wally vorbei und sah nach dem Rechten, bis irgendwann klar wurde, dass er etwas auf dem Herzen hatte. Nach einer Stunde sagte er schließlich: »David, ich habe um elf einen Termin im Gericht. Eine Scheidungssache. Da Sie ja noch nie dort gewesen sind, könnten Sie mitkommen. Ich stelle Sie dem Richter vor.«
Das Putzen war langweilig geworden. »Na, dann los«, entgegnete David.
Als sie die Kanzlei durch die Hintertür verließen, sagte Wally: »Gehört der Audi SUV Ihnen?«
»Ja.«
»Würden Sie fahren? Ich übernehme das Reden.«
»Klar.«
Als sie auf die Preston bogen, sagte Wally: »David, um die Wahrheit zu sagen: Vor einem Jahr wurde ich betrunken am Steuer erwischt, und meinen Führerschein habe ich immer noch nicht wieder. So, jetzt habe ich es gesagt. Für mich ist Ehrlichkeit das Wichtigste.«
»Okay. Mich haben Sie ja schon mal betrunken gesehen.«
»Ja. Aber Ihre hübsche Frau hat gesagt, dass Sie nicht viel trinken. Ich dagegen habe eine Menge Erfahrung mit Alkohol. Ich bin jetzt seit einundsechzig Tagen trocken. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Ich gehe zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker, und in einer Suchtklinik war ich auch schon ein paarmal. Was möchten Sie sonst noch wissen?«
»Ich habe nicht damit angefangen.«
»Oscar genehmigt sich jeden Abend ein paar harte Drinks. Bei der Frau braucht er das auch, das können Sie mir glauben. Aber er hat es unter Kontrolle. Es gibt Leute, die schaffen das. Sie können nach zwei oder drei Drinks aufhören. Sie können ein paar Tage, sogar ein paar Wochen ohne Alkohol auskommen, alles kein Problem. Andere dagegen hören erst auf, wenn sie umkippen, so wie Sie gestern.«
»Danke, Wally. Wo fahren wir eigentlich hin?«
»Stadtzentrum, Daley Center, 50 West Washington. Ich habe immer mal wieder trockene Phasen. Wissen Sie, dass ich schon vier- oder fünfmal aufgehört habe?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Jedenfalls ist jetzt Schluss mit dem Alkohol.«
»Was gibt es an Oscars Frau auszusetzen?«
Wally pfiff vor sich hin und sah für einen Moment aus dem Beifahrerfenster. »Ein zäher Brocken. Gehört zu den Leuten, die in einem hübscheren Teil der Stadt aufgewachsen sind. Ihr Vater ging in Anzug und Krawatte zur Arbeit, nicht in einem Blaumann, und daher hat man ihr eingebläut, sie sei etwas Besseres. Die Arroganz in Person. Sie hat einen Riesenfehler gemacht, als sie Oscar geheiratet hat, nur weil er Anwalt ist. Anwälte verdienen eine Menge Geld, stimmt’s? Na ja, nicht ganz. Oscar hat nie genug verdient, um ihre Ansprüche zu erfüllen, und das wirft sie ihm pausenlos vor, weil sie mehr Geld haben will. Ich hasse diese Frau. Sie werden sie nicht kennenlernen, weil sie sich weigert, die Kanzlei zu betreten. Und das ist mir auch ganz recht so.«
»Warum lässt er sich nicht scheiden?«
»Das sage ich ihm seit Jahren. Ich habe kein Problem mit Scheidung. Habe schon vier hinter mir.«
»Vier Scheidungen?«
»Genau, und es war jedes Mal die Mühe wert. Sie wissen ja, was man sagt – eine Scheidung ist deshalb so teuer, weil sie es wert ist.« Wally lachte über die lahme Pointe.
»Sind Sie jetzt gerade verheiratet?«, fragte David, vorsichtig geworden.
»Nein. Ich bin wieder auf der Jagd«, erwiderte Wally selbstgefällig, als wäre keine Frau vor ihm sicher. David konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der so unattraktiv war wie Wally, in einer Bar saß und Frauen anbaggerte. In weniger als fünfzehn Minuten hatte er erfahren, dass Wally ein trockener Alkoholiker mit vier Exfrauen, mehreren Aufenthalten in einer Suchtklinik und mindestens einer Verurteilung wegen Alkohol am Steuer war. Er beschloss, ab jetzt keine Fragen mehr zu stellen.
Beim Frühstück mit Helen hatte er ein wenig im Internet recherchiert und herausgefunden, dass erstens Finley & Figg vor zehn Jahren von einer ehemaligen Sekretärin wegen sexueller Belästigung verklagt worden war und sich außergerichtlich mit ihr geeinigt hatte; zweitens Oscar einmal von der Anwaltskammer abgemahnt worden war, weil er einem Mandanten in einer Scheidungsklage ein zu hohes
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