Verteidigung
mit gespieltem Erstaunen. »Das halte ich für sehr günstig, Ms. Nuxhall. Warum haben Sie Ihren Anwalt nicht bezahlt?«
Plötzlich standen Tränen in ihren Augen.
Anwälte und Zuschauer konnten die Details nicht hören, starrten aber weiterhin wie gebannt auf DeeAnna, vor allem auf ihre Beine und Schuhe. David wich noch ein Stück zurück, schockiert darüber, dass in einer öffendichen Sitzung erpresserische Methoden angewandt wurden.
Bradbury holte zum entscheidenden Schlag aus und sagte etwas lauter: »Ms. Nuxhall, ich werde diese Scheidung heute nicht aussprechen. Sie bezahlen erst Ihren Anwalt, dann unterschreibe ich das Urteil. Haben Sie das verstanden?«
DeeAnna wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Bitte, Euer Ehren …«
»Es tut mir leid, aber in meinem Gerichtssaal herrscht Ordnung. Ich bestehe darauf, dass alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden – Unterhalt, Alimente, Anwaltshonorare. Es sind nur dreihundert Dollar. Leihen Sie sich das Geld von einem Freund.«
»Das hab ich doch versucht, Euer Ehren, aber …«
»Ms. Nuxhall, ich bitte Sie. So etwas höre ich die ganze Zeit. Sie können gehen.«
Sie drehte sich um und ging, während der Richter jeden ihrer Schritte mit einem anzüglichen Grinsen verfolgte. Auch Wally sah ihr mit großen Augen hinterher und schüttelte dann den Kopf, als hätte er um ein Haar die Beherrschung verloren. Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, atmete der Gerichtssaal kollektiv auf. Richter Bradbury trank einen Schluck Wasser und sagte: »Sonst noch was?«
»Noch eine Scheidung, Euer Ehren. Joannie Brenner. Einvernehmlich, vollständige Eigentumsregelung, keine Kinder. Und das Wichtigste: Meine Rechnung ist vollständig bezahlt.«
»Holen Sie sie her.«
»Ich glaube nicht, dass ich fürs Scheidungsrecht geschaffen bin«, gab David zu. Sie waren wieder auf der Straße und kamen im dichten Verkehr der Mittagszeit nur zentimeterweise vorwärts.
»Das nenne ich effektiv. Sie sind für knapp eine Stunde in einem Gerichtssaal gewesen, und schon fangen Sie an, Ihre Mandate zu optimieren«, erwiderte Wally.
»Verhalten sich die meisten Richter so wie Bradbury eben?«
»Sie meinen, ob sie sich auch für die Anwälte einsetzen? Nein, die meisten Richter haben vergessen, wie es auf der Straße zugeht. Sobald sie die schwarze Robe überstreifen, vergessen sie es. Bradbury ist anders. Er weiß ganz genau, was für widerliche Zeitgenossen wir vertreten.«
»Und was geschieht jetzt? Bekommt DeeAnna ihre Scheidung?«
»Sie wird heute Nachmittag mit dem Geld in die Kanzlei marschieren. Wir bringen die Scheidung am Freitag durch, sie heiratet am Samstag, und in sechs Monaten kommt sie für die nächste Scheidung wieder.«
»Damit wäre alles gesagt. Ich bin fürs Scheidungsrecht nicht geschaffen.«
»Sie haben ja recht, Scheidungsrecht ist echt beschissen. Neunzig Prozent von dem, was wir tun, ist beschissen. Wir rennen den Billigmandaten hinterher, um die Fixkosten bezahlen zu können, und träumen von einem großen Fall. Aber letzte Nacht, David, habe ich nicht geträumt, und ich sage Ihnen auch, warum. Haben Sie schon mal von einem Medikament namens Krayoxx gehört? Dem Cholesterinsenker?«
»Nein.«
»Sie werden in der nächsten Zeit eine Menge darüber hören. Die Leute sterben wie die Fliegen daran. Wir haben es hier mit der nächsten großen Welle von Sammelklagen zu tun, und wir müssen uns beeilen, damit wir den Einstieg nicht verpassen. Wo fahren Sie eigentlich hin?«
»Ich muss schnell etwas erledigen, und da wir sowieso schon in der Innenstadt sind, wird es nicht lange dauern.«
Eine Minute später parkte David im Halteverbot vor Abner’s. »Schon mal hier gewesen?«
»Ja, natürlich. Es gibt nur wenige Bars in Chicago, die ich nicht kenne, David. Aber es ist schon eine Weile her.«
»Hier war ich gestern, den ganzen Tag lang, und ich muss noch meine Rechnung bezahlen.«
»Warum haben Sie nicht gleich gestern gezahlt?«
»Weil ich gestern sternhagelvoll war, wissen Sie nicht mehr?«
»Ich warte im Wagen.« Wally warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Tür zu Abner’s.
Miss Spence saß mit glasigen Augen und roten Wangen auf ihrem Thron, befand sich in einer anderen Welt. Abner war beschäftigt, mixte Drinks, zapfte Bier, stellte Teller mit Hamburgern auf die Theke. David erwischte ihn in der Nähe der Registrierkasse. »Hallo. Da bin ich wieder.«
Abner lächelte. »Dann leben Sie also noch.«
»Ja, natürlich. Ich war
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