Verteidigung
Varrick Labs einen Vergleich mit gigantischen Entschädigungssummen abringen und Unsummen an Honoraren verdienen würde (und ihr vielleicht ein kleines Extra verschaffen würde, aber das war noch nicht spruchreif). Bei ihrem Bettgeflüster ging es meistens um Krayoxx und um das, was sich daraus ergeben könnte. Ihr dritter Mann hatte mit ihr einmal Urlaub auf Maui gemacht, und sie liebte Strände. Wally hatte ihr bereits einen Traumurlaub versprochen.
In dieser Phase ihrer Beziehung hätte er DeeAnna alles versprochen.
»Wohin, Schatz?«, fragte sie, als sie davonrasten. DeeAnna besaß ein kleines Mazda-Cabrio und war eine waghalsige Fahrerin. Wally wusste, dass er bei einem Verkehrsunfall so gut wie keine Chance hätte. »Nur keine Hektik«, sagte er, während er den Sicherheitsgurt anlegte. »Nach Norden, in Richtung Evanston.«
»Melden sich denn schon Leute?«
»O ja. Es kommen eine Menge Anrufe rein.« Das war nicht mal gelogen – sein Mobiltelefon klingelte fast ununterbrochen, weil ständig jemand anrief, der seine kleine Broschüre mit dem Titel »Warnung vor Krayoxx« gelesen hatte. Er hatte zehntausend Exemplare davon drucken lassen und verteilte sie überall in Chicago. Er heftete sie an die Schwarzen Bretter in den Besprechungsräumen der Weight Watchers, legte sie in Klubs für Kriegsveteranen, Bingohallen, Wartezimmern von Krankenhäusern und Toiletten von Fast-Food-Restaurants aus – überall dort, wo Wally Figgs scharfer Verstand Menschen mit erhöhtem Cholesterinspiegel vermutete.
»Wie viele Fälle haben wir?«
Das »Wir« entging Wally natürlich nicht. Er wollte ihr auf keinen Fall die ganze Wahrheit sagen. »Acht Todesfälle, mehrere Hundert Fälle ohne Todesfolge, aber die müssen erst mal getestet werden. Ich bin mir nicht sicher, ob jeder Fall ohne Todesfolge auch tatsächlich ein Fall ist. Bevor wir einen Fall übernehmen, müssen wir irgendeinen Herzschaden finden.«
»Und wie machst du das?« Sie sauste über den Stevenson und schlängelte sich im Zickzack zwischen den anderen Fahrzeugen hindurch, von denen sie die meisten allerdings gar nicht wahrzunehmen schien.
Wally zog bei jedem Beinahezusammenstoß den Kopf ein. »Immer mit der Ruhe, DeeAnna, wir haben es nicht eilig.«
»Was hast du nur immer an meiner Fahrweise auszusetzen?«, fragte sie, während sie ihm einen langen, traurigen Blick zuwarf.
»Achte auf die Straße. Und fahr nicht so schnell.«
Sie nahm den Fuß vom Gas und schmollte ein paar Minuten. »Wir hatten davon gesprochen, wie du herausfindest, ob diese Leute etwas am Herzen haben.«
»Wir beauftragen einen Arzt damit, ein Screening durchzuführen. Krayoxx schwächt die Herzklappen, und es gibt einige Tests, mit denen man herausfinden kann, ob jemand durch das Medikament gesundheidiche Schäden davongetragen hat.«
»Wie viel kosten diese Tests?«
Wally stellte ein wachsendes Interesse an der finanziellen Seite des Krayoxx-Verfahrens fest, was ihn irgendwie ärgerte. »Etwa tausend Dollar pro Patient«, antwortete er, obwohl er keine Ahnung hatte. Jerry Alisandros hatte ihm versichert, dass Zell & Potter sich bereits die Dienste mehrerer Ärzte gesichert habe, die potenzielle Mandanten untersuchten. Diese Ärzte sollten Finley & Figg sehr bald schon zur Verfügung stehen, und wenn die Tests erst einmal angelaufen waren, würde sich die Gruppe der Mandanten ohne Todesfolge erheblich vergrößern. Alisandros war jeden Tag mit seinem Privatjet im ganzen Land unterwegs, er traf sich mit Anwälten wie Wally, legte hier und da große Klagen zusammen, beauftragte Gutachter, plante Prozessstrategien und – was am wichtigsten war – arbeitete fleißig an der Demontage von Varrick und den gegnerischen Anwälten. Wally fühlte sich geehrt, bei einem Spiel mit derart hohen Einsätzen mitmachen zu dürfen.
»Das ist eine Menge Geld«, meinte DeeAnna.
»Warum machst du dir so viele Gedanken wegen des Geldes?«, fuhr Wally sie an, während er ihr in den Ausschnitt starrte.
»Tut mir leid. Du weißt doch, dass ich neugierig bin. Das ist alles so aufregend, und, na ja, es wird bestimmt ganz toll sein, wenn Varrick anfängt, diese großen Schecks auszustellen.«
»Das könnte noch eine ganze Weile dauern. Wir sollten uns jetzt erst einmal darauf konzentrieren, weitere Mandanten zu beschaffen.«
Im Haus der Finleys sahen sich Oscar und seine Frau Paula gerade eine Wiederholung von M*A*S*H an, als sie plötzlich mit der schrillen Stimme und dem besorgten Gesicht
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