Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)
einige andere wichtige Organe. Also rufe ich bei
dem
deutschen Experten des Gebietes an: Manfred Singer, Internist, emeritierter Professor für Innere Medizin der Uni Heidelberg und Herausgeber mehrerer Fachbücher zum Thema. Er meldet sich mit freundlich-warmer Stimme, wird aber sofort streng, als es zum Alkohol geht – keine noch so geringe Dosis sei ohne Risiko, 20 Prozent der Deutschen seien Alkoholiker oder ständen auf der Schwelle dazu.
Ich versuche es mit einer vorsichtigen Frage: «Nicht alle Menschen, die Alkohol trinken, sind abhängig. Viele trinken nicht täglich, bei einer Feier aber mehr als die von der WHO empfohlene Menge – wie schädlich ist das?»
«Es ist ja nichts dagegen zu sagen, dass man mal mehr trinkt – solange das ein Genuss ist. Es gibt einen berühmten Schriftsteller, der hat gesagt: ‹Ich habe über viele Jahre viel getrunken mit Freude – und auf einmal hat es mir nicht mehr geschmeckt, aber ich musste weitertrinken.› Das ist die klassische Beschreibung der Abhängigkeit.»
«Ich würde für mich und viele Menschen, die ich kenne, in Anspruch nehmen, nicht abhängig zu sein und es zu genießen, zu trinken. Aber ich frage mich, ob ich mir an Silvester Schäden zuziehen kann, wenn ich zum Beispiel fünf Gin Tonic trinke.»
«Gelegentlich macht das wahrscheinlich gar nichts. Die Frage ist, wie oft Sie das tun.»
Ich spüre den Druck, ein bisschen abzurunden, schaffe es dann aber doch zu fragen: «Wenn es einmal die Woche wäre?»
«Ich vermute mal, dass Sie dann gut 100 Gramm reinen Alkohol zu sich nehmen. Das können Sie eine gewisse Zeit machen, aber Sie gehen ein hohes Risiko ein – das kann man nicht wegdiskutieren.»
Jetzt geht es um meine Organe!
«Worin besteht das Risiko?»
«Die Leber schafft es nicht, so viel Alkohol abzubauen, also wandelt sie ihn zu Fett um, und das bleibt in den Leberzellen liegen. Das Heimtückische beim Alkohol ist, dass die Leberveränderungen nicht wehtun. Die Leber schwillt zwar ein bisschen an, aber selbst bei einer fortgeschrittenen Verfettung hat man nur ein geringes Druckgefühl unter dem rechten Rippenbogen und morgens vielleicht gelegentlich Übelkeit.»
«Sind diese Schäden irreversibel?»
«Wenn Sie jeden Tag ein Glas Wein oder mehr trinken, haben Sie nach vier Wochen eine leichte Verfettung der Leber. Nach vier bis acht Wochen Abstinenz ist das Fett wieder abgebaut. Wenn Sie jedoch immer weiter trinken, sterben Leberzellen, es wird Bindegewebe gebildet, es kommt zu Entzündungen und eventuell zur Leberzirrhose.»
Das beruhigt mich, ich mache ja öfter längere Trinkpausen.
«Okay, diese Gefahr gibt es, wenn ich Sie richtig verstehe, beim gelegentlichen Trinken nicht – auf welche Organe wirkt es trotzdem schädlich?»
«Kleine Mengen Alkohol greifen direkt die Schleimhautzellen von Mundhöhle, Speiseröhre und Magen an. Wenn man mehrere Schnäpse trinkt, ruft dies in der unteren Speiseröhre akute Entzündungen hervor – die Immunreaktion macht es noch schlimmer. Alkohol im Blut bewirkt auch, dass der Schließmuskel am unteren Ende der Speiseröhre erschlafft: Magensäure steigt auf, man hat Sodbrennen, und die Schleimhautzellen werden weiter gereizt.»
Das tut schon beim Zuhören weh: «Kann sich der Magen davon erholen?»
«Wenn man eine Trinkpause macht, schon – aber es dauert zum Beispiel mehr als 24 Stunden, bis eine blutige Magenschleimhautschädigung nach dem Genuss eines scharfen Getränks, zum Beispiel Whisky oder Schnaps, abheilt.»
«Ist es also ratsamer, statt Spirituosen Bier und Wein zu trinken?»
«Nein. All die Getränke, die ausschließlich durch Gärung entstehen – Bier, Rotwein, Weißwein, Sherry, Champagner –, enthalten Äpfel- und Bernsteinsäure. Diese Substanzen stimulieren sehr stark die Magensäure – und das verursacht wiederum Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre.»
«Verdammt, was kann man denn jetzt überhaupt noch trinken?»
«Am besten, Sie trinken Alkohol nur zum Essen. Das ist gut für den Magen, weil die Säure dann abgepuffert wird – mit dieser Regel kann man auch seinen Konsum reduzieren. Sie scheinen mir noch ein junger Mann zu sein, und ich kann gut nachvollziehen, dass Sie auch mal feiern. Aber im Alter verträgt man zunehmend weniger. Ich habe deshalb noch Hoffnung, dass Sie sich bessern.»
Wenigstens hat er mich trotz ehrlicher Auskünfte noch nicht als alkoholkrank eingestuft, das ist wohl schon mal ein Erfolg. Das wird mich etwas beruhigen, wenn ich am
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